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Deutschland – Quo vadis? (*)

Tevfik Taş

Es kann kritische Perioden geben, in denen zwei systemkonforme Alternativen, die den Werktätigen vorgelegt werden, gleichzeitig sich verstärken. Zuletzt war dies bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen zu beobachten.

Es waren zwei Wahlen, in denen – wenden wir die Begriffe aus der US-Soziologie an – die „ultraliberalen“ Grünen und die „ultranationale“ AfD gleichzeitig ihre Stimmenanteile erhöhen konnten. Folgte man einer anderen Theorie der gleichen Soziologie, die noch zu belegen ist, würde man sagen „Macht schwächt“. Und die schwächelnde bürgerliche Macht, setzt fortan neue aufpolierte Gesichter ins Schaufenster, um ohne Gesichtsverlust davon zu kommen.

Keine Wippen-Theorie, sondern gleichzeitiger Aufstieg

Erst die Hauptthemen ´Migration´ und ´Flucht´ der Kampagnen bei den Bayernwahlen, ermöglichte den zwei systeminternen Gegnern einen gleichzeitigen Aufstieg. Das Gleiche erlebte man bei den darauffolgenden Hessenwahlen. Während die zwei großen traditionellen Parteien an Stimmen verloren, die CDU 11,3 % und die SPD 9 %, waren die AfD mit einem Anstieg von 9% und die Grünen von 8,7% die Gewinner dieser Wahlen. Während bei der Wippen-Politik, die oben bleibende Seite, die schwächere ist, ist die untere die stärkere. Faschistische Bewegungen und der Liberalismus sind Teil einer solchen Wippen-Theorie. Zwei Pole, die einander abstoßen, aber gleichzeitig einander stärken.

 Dass bei den Wahlen in Bayern und Hessen diese beiden Seiten der Wippe gleichzeitig nach Oben schossen, scheint in der Vorstellung „widersprüchlich“ zu sein.  Doch wohnt diesem Widerspruch eine Fehlannahme inne. Nämlich, dass die AfD und die Grünen, jeweils eine Alternative zueinander oder für die „Politik der Mitte“ im etablierten System darstellten.

Im Grunde schwächelt die bürgerliche Macht als Ganzes, während die ordnungsinterne Opposition als Ganzes aufsteigt. Und dieses Problem steht als Ganzes, in einem direkten Verhältnis zu den Vorlieben und Ausrichtungen des deutschen Imperialismus.

Deutschland entfernt sich vom Typus der „Ausgleichspolitiker/innen“

Eine starke Tendenz in der deutschen Politik ist das ablehnen der Position, die dem deutschen Imperialismus nach dem 2. Weltkrieg durch einen aufsteigenden Militarismus, auferlegt wurde. Wir können diese Wahlen nicht richtig bewerten, wenn wir das Deutschland acht lassen, das in 11 Ländern Soldaten stationiert, die EU zum eigenen Inlandsmarkt degradiert und immer mehr jüngere Arbeitskräfte benötigt, um in die 1. Liga aufzusteigen zu können.

Der Aufstieg der systeminternen Opposition bedeutet also nur die Häutung der Macht. Daher sollte es nicht überraschen, wenn Akteure der Ausgleichspolitik in einer Welt, in der sich das kapitalistisch/imperialistische System als Ganzes in einer Krise befindet,  “weggelotzt“ und die freiwerdenden Plätze durch aggressivere besetzt werden.

Dass die Grünen nur eine andere Farbe im kapitalistischen System repräsentieren, darf nicht in Vergessenheit geraten. Die Grünen mit „besser als Faschisten“ zu beschreiben und sich daran zu erfreuen, ist bedeutungslos.  Zumal es innerhalb der Grünen einen starken Parteiflügel gibt, die seit der Invasion der USA in Afghanistan, „militärische Eingriffe zu humanitären Zwecken“ befürworten. Diese Grünen verstummten, als Syrien und Irak zur Bekämpfung „der Diktatoren Saddam und Assad“ in alle Winde verweht wurde. In diesem Punkt war gegenüber der USA, sogar die AfD noch kritischer.

Die deutsch-bürgerliche Politik mit ihrem Nazi-Image stößt an die Grenzen ihrer Selbstdarstellung, des Braven und Gefügigen. Die AfD ist die Stimme derer, die von diesem Image genug haben. Beide Parteien stellen Flüchtlinge in ihre politischen Schaufenster, um über die Geflüchteten eine Botschaft an die imperialistische Welt zu posaunen. Die Funktion der Häutung in der Politik wird von den Grünen, die in vorhandenen Strukturen bestehen und der AfD, die diese Strukturen für Deutschland als das Versailles des 21. Jahrhunderts betrachten, gemeinsam getragen. Und genau an diesem Punkt kommt nicht eine Wippen-Theorie, sondern eine Theorie des gleichzeitigen Aufstiegs hervor.

Was bedeutet für Deutschland “Nach-Merkel“?

Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU Angela Merkel hat nach den Wahlen in Bayern und Hessen, in denen ihre Partei die schlimmste Niederlage ihrer Geschichte einkassierte, das Ende ihrer politischen Karriere signalisiert und gab bekannt, dass sie nicht mehr kandidieren werde. Es wird davon ausgegangen, dass dieses Ergebnis das Ende der bestehenden Großen Koalition sein könnte und daher mit Neuwahlen zu rechnen sei.

Die „Abgenutztheit“ Merkels – die nach der Einverleibung der DDR in den Westen importiert wurde – liegt nicht in ihrer 13 jährigen Regierungszeit, die sie als „mächtigste Politikerin“ und in großer Treue zum Kapital, mit ihrer christlichen und antirevolutionären Politik durchzog.

Der deutsche Imperialismus befürwortet vielmehr eine neue Tendenz, die Räume für Militarismus schafft. Da diese Räume traditionelle Figuren der Politik nicht dulden, muss Merkel weg. Es ist unschwer zu erahnen, dass die Alternative für Deutschland (AfD) besser in dieses neue Bild des Kapitals passt.

Die CDU, die die Nach-Merkel-Ära zu gestalten beginnt, hat bereits einige Namen zur Schau gestellt. Die stärksten Kandidaten sind die Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz.

Annegret Kramp-Karrenbauer, wurde auf dem außerordentlichen Parteitag am 26. Februar 2018 mit überwältigenden 98,7% und den somit den meisten Stimmen ihrer Parteigeschichte zur Generalsekretärin gewählt. Über Friedrich Merz, der auch Vorsitzender der Bundestagsfraktion seiner Partei war und in der Umfrage der FORSA aus dem Jahr 2017 noch keine Erwähnung fand, wurde plötzlich in deutschen Medien eine Menge berichtet. Die Bild-Zeitung hielt mit der Nachricht, dass Friedrich Merz sich selbst als bereit für die Kandidatur erklärte, nicht zurück. Im Grunde ist Merz, der seit 2009 Vorsitzender der einflussreichen Atlantik-Brücke e.V. ist, schlechthin eine „graue Eminenz“. Diese Bezeichnung, die aus der katholischen Kirche bekannt ist und Personen beschreibt, die intrigant hinter den Kulissen agieren, passt auf Friedrich Merz wie angegossen.

Für wen werden die Würfel fallen? Für das Status quo oder gegen die USA?

Die deutsche Politik ist im Wandel! Ob die Würfel nun für die Verstärkung des Militarismus und somit für die Abnabelung von der USA fallen oder für das beibehalten des Status quo der deutschen Politik, wird sich noch zeigen.

Die möglichen Merkel-Nachfolger, Annegret Kramp-Karrenbauer und auch der weniger wahrscheinliche Friedrich Merz, machen beide den Eindruck, als würden sie eher das Status quo der Politik beibehalten wollen und sich dafür einsetzten. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass, falls die Große Koalition zerbricht, bei den Neuwahlen das Kapital mithilfe der faschistischen AfD die Spielregeln zu ändern versuchen wird.

Leider übernehmen in der deutschen Politik, faschistische Bewegungen die Initiative „Nein zur USA-Hegemonie“ zu sagen. In einer politischen Kultur, in der, der Gründer der vom Marxismus inspirierten Frankfurter Schule, sogar, Mitglied in einem durch den US-Hochkommissar gegründet Vereins ist, bleibt nur übrig, sich entweder über das Fehlen des Sozialismus zu beklagen oder zuzuschauen, dass der Patriotismus mit dem Chauvinismus verwechselt wird.

Wir sollten uns nun dringlichst die Frage stellen, was der Arbeiterklasse in Deutschland in diesen Krisen- und Verfallzeiten anderes übrigbleibt, als sich für die sozialistische Macht zu organisieren? n

(*) Aus der Zeitschrift „Boyun Eğme-Almanya“, Ausgabe: Oktober/Dezember 2018, Seiten: 4-5