Artikel über die DDR

Zuallererst haben sie
die Deutsche Demokratische Republik zerstört…

Kemal Okuyan
(Generalsekretär der ZK der TKP)

Jetzt ist es an der Zeit, die Deutsche Demokratische Republik mit noch mehr Mut und noch lauterer Stimme zu behaupten… Geschichte ist nicht nur Vergangenheit, sondern auch Gegenwart und vor allem Zukunft. Europa wird in der bevorstehenden Zeit, Schauplatz von eines der härtesten Klassenkämpfe werden und damit wir nicht erneut orientierungslos dastehen, dürfen wir nicht zulassen, dass die DDR als nur Geschichte des kritischsten Landes des Kontinents zu einer Fußnote, zu einer Einzelheit des Vergangenen Deutschlands erklärt wird.
Die DDR war kein Detail. Im Gegenteil, die Deutsche Demokratische Republik war eines der Frontländer in der Abrechnung zwischen dem Sozialismus und dem Kapitalismus. Genauer ausgedrückt, war sie eine große Errungenschaft, ein sich Behaupten und die Zukunft einer der beiden Grundklassen in Deutschland, die sich erneut gegenüberstanden, nachdem es infolge der Oktoberrevolution von 1917 im Kampf zwischen Arbeit und Kapital in die Finsternis des Faschismus geraten war.
Auf den Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam einigten sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion und die imperialistischen Länder auf eine Weltordnung. Es war ein fragiles, ungewisses Abkommen, das jedoch realistische Aspekte bezüglich der Machtverhältnisse zwischen den verfeindeten Fronten enthielt.
Die Sowjetunion erklärte offen, dass sie osteuropäische Länder, die sich mit ihr verfeindeten, nicht länger tolerieren werde. Die Länder in dieser Region, insbesondere Polen, bereiteten der UdSSR von Beginn an Schwierigkeiten. Dazu hatten sich manche während des Krieges der Kooperation mit dem deutschen Faschismus zugewandt. Während die sowjetische Regierung sagte, sie würde dies nicht erneut zulassen, befreite die Rote Armee diese Länder Stück für Stück aus der Besatzung des Faschismus.

DIE SOWJETUNION UND DIE WELTREVOLUTION

Es ist durchaus verständlich, dass die Sowjetregierung unter der Führung von Stalin in erster Linie ihre eigene Sicherheit vorsah. Es stand nicht zur Debatte, die “Sicherheitsbedenken” eines Landes infrage zu stellen, das im Kampf gegen den Faschismus mehr als 25 Millionen Bürger verloren hatte – heute genauso wenig wie damals. Das wichtigste Glied in der Strategie des “Sozialismus in einem Land”, das Stalin und seine Freunde ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre beharrlich gegen die trotzkistischen Defätisten verteidigten, war jedoch das Verhältnis der Sowjetmacht zum Weltrevolutionären Prozess. Demzufolge bedeutete die Verteidigung der Sowjets zugleich, dass dieses eine sozialistische Land, nachdem es sich erholt und gestärkt hatte, im Namen der Weltrevolution neue Feldzüge in einem unvermeidlich erneuten Kampf leisten sollte. Die sowjetische Außenpolitik und die Militärdoktrin gingen von diesem Ansatz aus.

Der Zweite Weltkrieg war in gewisser Hinsicht solch eine Abrechnung. Während die Sowjetunion einerseits den deutschen Faschismus besiegte, bewahrte sie andererseits ihre eigene Sicherheit, würde aber auch sicherlich jede Gelegenheit nutzen, um den Sozialismus zu verbreiten.

Nachdem eine große Region, mit Ausnahme von Griechenland, vom Faschismus befreit worden war, begann man in diesen Ländern des östlichen Europas, soweit es das politische Machtverhältnis zuließ, die Herrschaft des Kapitals zu verdrängen. Hierbei sind Stalins Selbstbewusstsein und seine Überzeugung davon, dass der Sozialismus ein höchst legitimes gesellschaftliches System ist, zu berücksichtigen. Stalin würde keines der Länder, die sich unter Aufsicht der Roten Armee befanden, dem Gnaden der internationalen Monopole aussetzen. Die allgemein als “Volksrepublik” bezeichneten sozialistischen Gründungsprozesse in Bulgarien, Albanien, Rumänien, Ungarn, Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawien – obwohl es hier später in eine andere Richtung ging – wurden in einer solchen internationalen Atmosphäre eingeleitet.

In Deutschland herrschte eine andere Situation. Bei Kriegsende befanden sich sowohl die sowjetische als auch die US-amerikanische und britische Armee in Deutschland. Es bestand eine Ungewissheit über den Status Deutschlands. Jedoch lag es auf der Hand, dass die Imperialisten ein “sozialistisches Deutschland” nicht hinnehmen würden. Auch die Sowjetunion hatte anfangs keine solche Absicht, mehr noch, sie hatte nicht mit einem geteilten Deutschland gerechnet.

DIE UdSSR WIRD UNVORBEREITET ERFASST

Die Imperialisten haben beschlossen, Deutschland zu teilen. Genauer gesagt, Deutschland stand im Fokus der Strategie des Kalten Krieges der Imperialisten, die ihrem sowjetischen Verbündeten einen neuen Krieg erklärten, ehe der Krieg zu Ende ging. Mit eines der Hauptalliierten brechen, das wachsende Ansehen der Sowjets zerstören und mittels Nazi-Überresten, beginnend von Deutschland aus, in ganz Europa im Kampf gegen den Kommunismus eine einzigartige, mächtige Bande schaffen!

Die Sowjets waren auf dieses Manöver nicht vorbereitet. In den Amerikanischen und britischen Besatzungszonen wurde die Herrschaft des Großkapitals, welches Hitlers Kampfmaschinerie unterstützt hatte, gestärkt und Anhänger Hitlers wurden auf wichtige Posten befördert. Im Osten Deutschlands hingegen bemühten sich die Sowjets mit großer Anstrengung, diesen Wahnsinn aufzuhalten. Eine Teilung sollte verhindert werden. Doch von dem Moment an, als klar wurde, dass der US-Imperialismus die Gründung eines neuen und anti- sowjetischen Staates nicht aufgeben würde, beschloss Moskau, die sinnvollste Antwort darauf zu geben. So sind die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland entstanden.

1945 gab es kein DDR-Projekt. Die Idee der DDR hatte sich innerhalb weniger Jahre als stärkste Reaktion auf den Angriff des Imperialismus herausgebildet. 1952 war das Jahr, in dem die bedeutendsten Schritte zur Etablierung des Sozialismus in Ostdeutschland verwirklicht wurden. Letztendlich stand die sowjetische Führung an der Seite des Arbeitervolks, das sich an die Arbeit gemacht hatte in der Hälfte des kapitalistischen Landes, das dem Sozialismus am nächsten stand und in Bezug auf die materiellen Grundlagen des Sozialismus am ausgereiftesten war, und half, ein neues Leben zu schaffen.

1953 starb Stalin. Bedauerlicherweise gab es in diesem Land, das große Desaster überstanden hatte, weder einen Anführer ähnlichen Kalibers noch ein Team, das diesen Verlust ersetzen konnte. Als mit Stalins Tod Konterrevolutionär organisierte Angriffe auf sozialistisch ausgerichtete Transformationen in der DDR begannen, sind in der sowjetischen Regierung ernste Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Ein Teil war der Überzeugung, dass es das Beste sei, die DDR so bald wie möglich loszuwerden. Sie meinten sich den Frieden einkaufen zu können, indem sie die DDR hergaben. Dies war die Ansicht engstirniger Bürokraten, die das Verhältnis zwischen der Sowjetmacht und der Weltrevolution nicht erkannten. Hochrangige Offiziere, zuvorderst Kommandeure der Truppen der Roten Armee in Deutschland, und ein Teil der Parteiführung verurteilten diesen Gedanken und verhinderten dadurch einen früheren Zusammenbruch der Sowjets. Eines der wichtigsten Pluspunkte von Nikita Chruschtschow, der durch seine erheblichen Fehler den Grundlagen des Sozialismus in der Sowjetunion großen Schaden zufügte, war, dass er sich weigerte, die DDR aufzugeben.

Chruschtschow, der nach Stalin allmählich an die Spitze aufstieg, hatte eine Auffassung über die DDR, die nicht von internationalen Interessen des Sozialismus, sondern durch die außenpolitische Strategie der Sowjetunion geprägt war. Im Laufe der Zeit zeichnete sich eine Diskrepanz zwischen der DDR, die bedeutende Fortschritte bei der Etablierung des Sozialismus machte und den außenpolitischen Zielen der Sowjetunion ab und diese wuchs ab 1985 mit Gorbatschow als Generalsekretär weiter. Und einige Jahre später entschied das von Michail Gorbatschow angeführte Zerstörungsteam, dass die DDR von der Bundesrepublik Deutschland verschlungen werden sollte. Ich sage bewusst nicht “erlaubte”, sondern “entschied”: Wenn die sowjetische Intervention nicht gewesen wäre, hätte die DDR gegen die konterrevolutionäre Welle einen Widerstand geleistet.

Jetzt können wir zurück zum Anfang und die Frage erneut stellen: Warum war die DDR wichtig?

DIE DDR: EINE FORTSCHRITTLICHE ERRUNGENSCHAFT

Die DDR war wichtig, weil der Sozialismus seit der Niederlage der Pariser Kommune, in Deutschland, dem wichtigsten Land im Kampf für die Befreiung der Arbeiterklasse, eine fortschrittliche Position errungen hatte. Bezüglich der materiellen Grundlagen des Sozialismus war die DDR das optimalste Land im ganzen sozialistischen Block und in manchen Gesichtspunkten war sie weiter als die Sowjetunion. Sicher ist hier nicht die Rede von einer makellos ausgeprägten Umsetzung des Sozialismus, aber es ist ein Prozess und so leid es mir tut, es ist eine Verworfenheit gegenüber dem Sozialismus, auf Fehlerjagd zu gehen, während es eindeutig ist, welch eine schöne Suppe der Kapitalismus der Menschheit eingebrockt hat.

Nicht nur das, die DDR war zugleich das Symbol der Herausforderung für den Weltsozialismus gegen den Kapitalismus. Außerdem zeigte sie, dass der Sozialismus sich vor dem entwickelten Europa nicht zurücknahm. Allerdings hatte die Sowjetregierung das Selbstvertrauen der Stalin-Jahre verloren und die Kader in den kritischen Positionen waren nun einmal von der Krankheit befallen, den westlichen Ländern nachzuahmen. Dass die Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren als “Hauptdarsteller” in den Vordergrund trat, war nicht nur dem wirtschaftlichen Erfolg des Kapitalismus in Deutschland zu verdanken. Unsere Front hatte begonnen, die Welt mit den Kriterien der Imperialisten zu bewerten. Und das, obwohl die DDR in vielerlei Hinsicht fortgeschrittener war als die Bundesrepublik; je nachdem, aus welcher Perspektive man es betrachtet und mit welchen Kriterien man handelt.

Das Übelste war, dass während die Bundesrepublik Deutschland zur Zerstörung der DDR vor nichts zurückschreckte, der sozialistische Block nicht die gleiche Haltung gegenüber der Bundesrepublik einnahm. Im Gegenteil, die imperialistischen Herrschaften in Bonn erwarben in der sowjetischen Außenpolitik einen Platz, den sie überhaupt nicht verdient hatten: Eine Macht als Gegengewicht zur USA!

Sozialismus und Kapitalismus können nebeneinander existieren, müssen es sogar. Und mussten es… Man kann danach streben, dass dieses Nebeneinander die Form des “Friedens” annimmt, dieses Bestreben kann auch erfolgreich umgesetzt werden. Aber Sozialismus und Kapitalismus können nicht zusammen- leben, ohne einander zu berühren. Die These, dass der Kapitalismus sich durch seine inneren Widersprüche auflöst, sobald der Sozialismus zu einem Weltsystem geworden ist, ist dem Marxismus fremd. Ebenso ist die Vorstellung, dass der Kampf zwischen den beiden Systemen Gegenstand eines friedlichen Wettbewerbs sein könnte, nur mit Naivität zu erklären. Die Sowjetregierung verfiel vielleicht nicht in eine solche Leichtsinnigkeit, aber es war offensichtlich, dass es auf Partei- und Staatsebene genug Menschen gab, die von dieser Eigenartigkeit überzeugt waren. Die Weltrevolution umfasst die Arbeiterbewegungen in sozialistischen sowie kapitalistischen Ländern und ist ein Ganzes. Die Verpflichtung der sozialistischen Länder war es, angesichts des Zerstörungswillens des Imperialismus, mit revolutionärer Wachsamkeit vorzugehen und revolutionäre Gelegenheiten zu erzwingen.

Fatalerweise hatte der Imperialismus mit Gorbatschow als Generalsekretär einen sehr geschickten Verbündeten innerhalb des zu zerstörenden Sozialismus, gefunden.

Gemeinsam zerstörten sie zuallererst die DDR.

Der Rest folgte. Für die UdSSR, die die DDR mit der Mauer verschüttete, gab es keine Überlebenschance mehr.

Und heute immer noch, ist Deutschland als das Land der Monopole, als primär Verantwortlicher für beide andauernden imperialistischen Kriege, als Heimat der blutrünstigsten Diktatur, welche die Menschheit jemals erlebte, als ein Staat das heute Rassisten und Neo-Nazis schützt, trotzdem das Land in dem es möglich ist, die DDR im Namen von Freiheit und Demokratie zu verfluchen!

Nichtsdestoweniger war das Schönste, was Deutschland im 20. Jahrhundert hatte, die Deutsche Demokratische Republik. Seht euch nur die Welt an. Seht und rebelliert! ■