Kemal Okuyan schrieb: Was sagt uns Mamdanis Wahlsieg?
Artikel von TKP-Generalsekretär Kemal Okuyan, veröffentlicht am 7. November 2025 auf dem Nachrichtenportal soL.
Zohran Mamdanis Wahl zum Bürgermeister von New York hat eine heftige Diskussion ausgelöst. War das eine kleine Revolution – oder lediglich das System, das sich einen neuen „Helden“ geschaffen hat? Ist die US-amerikanische Gesellschaft wirklich nach links gerückt?
Ein beträchtlicher Teil der Öffentlichkeit – zusammen mit einigen der einflussreichsten Medien des Landes – besteht darauf, dass Mamdani ein „Kommunist“ sei. Die amerikanische Rechte scheint, wie ihre Pendants anderswo, immer noch zu glauben, dass man Menschen mit dem Schreckgespenst des Kommunismus erfolgreich einschüchtern kann.
Auch Obama wurde „Kommunist“ genannt. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Demokraten nicht von den Republikanern. Vor der letzten Präsidentschaftswahl wurde sogar Trump als „Kommunist“ und „russischer Agent“ bezeichnet. Wirklich bemerkenswert.
Zwei der letzten drei Präsidenten sollen also Kommunisten gewesen sein, Putin ist ohnehin einer, und China – nun ja, das erklärt sich von selbst.
Was ist also passiert? War der Kommunismus nicht eine bloße Fantasie?
Wir sagen oft, dass Antikommunismus eine Form der Dummheit ist – hier ist ein weiteres Beispiel. Diese Leute glauben ernsthaft, dass gegenseitige Kommunismusvorwürfe eine Form ideologischen Kampfes darstellen.
Einer der auffälligsten Aspekte von Mamdanis Sieg ist dieser: Trotz all des Lärms hat es ein als „kommunistisch“ gebrandmarkter Politiker geschafft, seine Gegner in der wohlhabendsten – und zweifellos wichtigsten – Stadt Amerikas zu schlagen (auch wenn dieser Reichtum in den Händen einer kleinen Minderheit konzentriert ist).
Natürlich ist Zohran Mamdani kein Kommunist. Und ich werde mich nicht auf eine Debatte darüber einlassen, ob er ein Linker ist – ich habe vorerst genug davon, mir anhören zu müssen: „Dir gefällt ja sowieso niemand.“
Entscheidend ist nicht, welches Etikett Mamdani trägt, sondern wie tief die soziale und politische Krise in den Vereinigten Staaten mittlerweile reicht. Diese Krise ist in erster Linie wirtschaftlicher Natur. Die wachsende Frustration der verarmten und verunsicherten Bevölkerung während der Biden-Jahre ebnete den Weg für Trump. Gleichzeitig wandten sich viele von ihm ab, als sie merkten, dass arbeitsmarktbezogene Politik allein keine soziale Gerechtigkeit schafft. Trumps Angriffe auf Bürgerrechte, seine rassistische Haltung gegenüber Migranten und seine Repression gegen Solidaritätsbewegungen mit Palästina haben eine immer radikalere Gegenbewegung ausgelöst.
Kurz gesagt: Das monopolgetriebene System der Vereinigten Staaten – das sich lange Zeit in der schützenden Umarmung seiner Zweiparteienstruktur wohlfühlte – beginnt in den letzten Jahren unter derselben Krise zu wanken, die viele entwickelte kapitalistische Länder erfasst hat. Diese Krise rührt teils von den sich schnell verschiebenden Machtverhältnissen innerhalb der herrschenden Klasse her, die innere Spannungen erzeugen, und teils von der verschärften internationalen Konkurrenz um Hegemonie, die die kapitalistischen Staaten dazu zwingt, gegenüber ihren eigenen Arbeiterklassen brutaler vorzugehen – was wiederum tiefe ideologische und politische Erschütterungen hervorruft.
All diese Akteure leiden unter einer Glaubwürdigkeitskrise. Da ihre eigene politische Lebensdauer immer kürzer wird, muss zunehmend „Luft in den Ballon gepumpt“ werden, um neue Figuren zu schaffen, die die Massen überzeugen können. Doch das ist schwierig – und überdehnte Ballons platzen bekanntlich schnell.
Heute ist die Mainstream-Politik der USA von oben bis unten gelähmt. Ihre eigentliche Funktion – gesellschaftliche Unzufriedenheit zu besänftigen, zu lenken und zu entschärfen – funktioniert nicht mehr. Es gibt keinen politischen Akteur, der die wachsende, vielschichtige Unzufriedenheit im Sinne der bestehenden Ordnung kontrollieren könnte.
Es wäre unfair zu behaupten, Mamdani sei gezielt vom System aufgebaut worden, um dieses Vakuum zu füllen. Er ist vielmehr ein Produkt dieses Vakuums – und könnte die Krise sogar vertiefen.
Jemand, der behauptet, der Kapitalismus könne verbessert, die Marktwirtschaft auf eine menschlichere Grundlage gestellt werden, stellt für den Kapitalismus selbst keine Gefahr dar. Doch wenn eine solche Person – oder jemand mit solcher Rhetorik – zum Bürgermeister der wichtigsten Stadt der Vereinigten Staaten gewählt wird, bedroht das zweifellos die gewohnte Bequemlichkeit der amerikanischen Politik.
Unter normalen Umständen würde ein Bürgermeister wie Mamdani einige seiner Versprechen vergessen, andere durch einen „realistischen Ansatz“ abschwächen – und das System würde weitermachen wie bisher. Solche Fälle hat es viele gegeben.
Die türkische liberale Journalistin Aslı Aydıntaşbaş weist darauf hin, dass man gar nicht weit schauen muss: In Istanbul habe sich schon vor Jahren eine kommunalpolitische Linie etabliert, die sich an die Armen richtet. In einem Artikel für Politico vom 20. Oktober schrieb sie, dass die Politik, die Erdoğan als Bürgermeister von Istanbul betrieb, an Mamdanis Versprechen erinnere – und dass İmamoğlu diese Tradition fortsetze.
Interessanterweise reagieren Kreise der AKP ebenso begeistert auf Mamdanis Wahlsieg wie Teile der Linken. Natürlich betonen sie seine muslimische Identität – dass er Schiit ist, scheint sie derzeit nicht zu stören. Aydıntaşbaş hebt sogar ein weiteres gemeinsames Element hervor: den Anspruch, das Leid der Armen zu lindern.
Doch in der Türkei hat sich das Leid der Armen nicht verringert.
Und in den USA wird es das ebenfalls nicht.
Der Kapitalismus lässt sich nicht reformieren.
Was wird also geschehen?
Vermutlich nicht viel – zumindest nicht durch Mamdani selbst. Über seine väterliche Linie ist er ohnehin mit Soros verbunden. Dass er unmittelbar nach der Wahl für ein „Siegesfoto“ mit Soros’ Sohn posierte, sollte schon eine deutliche Botschaft sein. Zugegeben, die Initiative kam wohl von Alex Soros, der das Foto auch postete. Soros junior, der Mamdani während des gesamten Wahlkampfs offen unterstützt hatte, lächelte nach der angeblichen „Revolution“ neben ihm und sandte damit ein beruhigendes Signal an das Establishment: Keine Sorge. Und was für ein Foto das war – jemand, der die beiden nicht kennt, hätte Mamdani für den reichen Erben und Alex für den protegierten Politiker halten können!
Aufrichtigkeit und Freundschaft sind natürlich noch einmal ein anderes Thema.
Wie gesagt: Mamdani selbst wird für die USA kein Problem darstellen. Die eigentliche Frage ist, was mit den Hunderttausenden passiert, die ihn trotz aller Propaganda und Gegenkampagnen unterstützt haben. Darin liegt die wahre Bedeutung seines Sieges. Die Abkehr von der etablierten Politik hält an – und da die USA keine sozialdemokratische Tradition wie Europa haben, wird es schwer sein, eine systemtreue „Linke“ zu schaffen, die diese Bewegung auffangen kann.
Die entscheidende Frage lautet, ob sich in den USA – und anderswo – eine starke revolutionäre Kraft herausbildet, die die politische Krise nutzen kann. Mamdani zu idealisieren oder Strategien um ihn herum aufzubauen, hieße, eine echte Chance zu verspielen. In diesem Fall würden die Soros-Familie – und die gesamte bestehende Ordnung – wieder einmal gewinnen.
Andererseits führt auch die Behauptung, Mamdani sei bloß ein „Projekt“, in die Sackgasse. Revolutionäre Politik in den USA kann nicht von der Annahme ausgehen, das System handle mit solcher langfristigen Weitsicht. Zu glauben, Mamdani sei bewusst als Antwort auf die Krise aufgebaut worden, hieße, sowohl die Tiefe dieser Krise als auch das Wesen des US-Imperialismus zu unterschätzen.