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„Die Einheitsgewerkschaft“ und
„Die Solidaritätsparlamente“

Okuyan:
Die Kommunistische Partei der Türkei hat mit der Initiative „Am Kragen der Patronen“ eine authentische Organisationsarbeit hervorgebracht. „Am Kragen der Patronen“ erfüllte unter anderem auch eine Art gewerkschaftliche Funktion. Jetzt wenden wir diese Erfahrungen auf die Gewerkschaftspraxis an. „Am Kragen der Patronen“ bereicherte in kürzester Zeit die Solidaritäts- und Kampfkultur der ArbeiterInnen. Diese Erfahrungen zeigen, dass es für die unter ständigem Druck stehenden ArbeiterInnen möglich und notwendig ist, neue Möglichkeiten im Kampf gegen das Kapital zu entwickeln. Die Initiative „Am Kragen der Patronen“ wird nicht aufgegeben. Ganz im Gegenteil, diese Initiative wird mit der zukünftigen Gewerkschaft eng zusammenarbeiten.“

soL:
Es gibt viele Gewerkschaften in der Türkei. Was wird das Besondere an dieser Gewerkschaft?

Okuyan:
Diese Gewerkschaft wird keine Alternative zu den bestehenden Gewerkschaften sein. Viele Mitglieder und Freunde der Partei sind bereits als Mitglied verschiedener Gewerkschaften am Kampf für ihre Rechte aktiv beteiligt. Die Einheitsgewerkschaft wird, wie dem Namen auch zu entnehmen ist, eine andere, von der Einheit der Arbeiterklasse ausgehende Struktur haben und damit anders sein als die bekannten Strukturen der gegebenen Gewerkschaften. Es gibt eine Tatsache, die wir seit Jahren zum Ausdruck bringen: Die zersplitterte Struktur der Arbeiterklasse muss überwunden und der kollektive Charakter der Klasse wieder hervorgebracht werden. Dies kann hauptsächlich auf politischer Ebene realisiert werden. Die TKP ist bestrebt dies zu tun. Währenddessen müssen im Gewerkschaftlichen Modelle erprobt werden, welche für das Gemeinsame zuträglich sind. Und genau das tun wir.

soL:
Ist es normal, dass eine politische Partei in einer solch konkreten Form, in die gewerkschaftliche Praxis einsteigt? Wird somit eine Gewerkschaft gegründet, die der TKP gehört?

Okuyan:
Wenn man es nicht als seltsam erachtet, dass Gewerkschaftsvorsitzende zu Parlamentariern werden, sollte man auch dies nicht als solches empfinden. Die Gewerkschaften in der Türkei sind überwiegend unter der Kontrolle der Ordnungsparteien.  Ferner wird diese Beziehung offensichtlich gepflegt. Wo immer es auch eine Lücke, einen Bedarf im Kampf der Werktätigen gibt, wird die TKP als Partei der Arbeiterklasse selbstverständlich ihren Beitrag dazu leisten. Allerdings wird die Einheitsgewerkschaft keine Gewerkschaft der Partei werden. So etwas ist auch nicht möglich. Es soll eine in eigener Dynamik entstehende und sich, von hieraus weiterentwickelnder Praxis sein. Die TKP unterstütz nur diese Dynamik, bei ihrer Auferstehung. Eine Partei-Gewerkschaft wäre eine von Beginn an zum Scheitern verurteilte Gewerkschaft. So etwas brauchen wir nicht.

soL:
Was sollte die Öffentlichkeit unter „Solidaritätsparlament“ verstehen?

Okuyan:
Das Parlament der Solidarität macht sich mit der Bestrebung auf den Weg, die Erfahrungen des Patriotischen, des Fortschrittlichen und des Öffentlichen der Türkei, gemeinsam zu produzieren, zu diskutieren und zu handeln. Ein Parlament, das sich zu allen die Türkei betreffenden Angelegenheiten – historisches sowie aktuelles – eine Position bezieht. Ein Parlament, das jeden Schritt der politischen Machthaber verfolgt und darauf reagiert. In der Türkei gibt es eine solches Erfahrungsbasis und es besteht die Möglichkeit, diese Erfahrungen auf einer Plattform weiterzuführen, zu entwickeln und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um daraus einen gemeinsamen Antrieb zu schöpfen. Dieses Parlament wird gleichzeitig eine Kultur für das Gemeinsame der Bewegung kreieren. Im Laufe der Zeit sollen auch lokale Parlamente gegründet werden. Die TKP übernimmt hier eine Katalysatorrolle. In Gesprächen mit unseren Freunden stoßen wir auf eine sehr positive Resonanz. Ferner begeben wir uns gemeinsam in diesen Prozess. Jetzt werden wir ihn beschleunigen. In der Türkei ist innerhalb der systemtreuen Politik keine Basis, oder Plattform zur Diskussion übriggeblieben. Die Gesellschaft nimmt die Welt der Politik nicht mehr ernst. Sie sind aufgrund der Ausweglosigkeit Teil dieser Zentren. Prinzipienlose Positionierungen, Kulissen der Politik, Intrigen, Kämpfe um irgendwelche Posten… Die eigentliche Erfahrungsbasis der Linken der Türkei umfasst weit mehr Reife und Ressourcen. Wir werden eine Kultur der Beteiligung schaffen und gleichzeitig den Prinzipien treu bleiben. Ab jetzt wird die Stimme des Laizismus, des Patriotischen und des Sozialismus lauter erhoben.

soL:
Wie wird das Solidaritätsparlament funktionieren und wie soll diese Stimme die Öffentlichkeit erreichen?

Okuyan:
Das Solidaritätsparlament wird in bestimmten Abständen zusammenkommen, um sich mit den aktuellen Problemen der Türkei auseinanderzusetzen. Von der Außenpolitik bis zur Ökonomie mit allen Bereichen…  Wir werden bloßstellen, während wir Lösungen aufzeigen und auch beweisen, dass eine sozialistische Türkei möglich ist. Das Solidaritätsparlament wird kein geschlossener Kreis sein. Es wird so funktionieren, dass das Volk es beobachten und sich beteiligen kann. Also ganz genau so, wie der Name uns auch verrät: ein Parlament der Solidarität .