Lies interessante Artikel!

Die SPD, die Linke und die CHP und ein bisschen HDP

OSMAN ÇUTSAY

Gleich nach den heißen Kriegsjahren, die die Sowjetunion mindestens 27 Millionen Tote und unzählige Verletzte kosteten, und durch die Zerschlagung des Faschismus von dem Welt-Sozialismus beendet wurden, wurde es notwendig, eine neue Front gegen den Sozialismus zu bilden. Hier sprechen wir von 1945 und den darauffolgenden Jahren.

Ankara, das sein aufklärerisches Pulver der Gründungsjahre und der Sowjetfreundschaft längst aufgebraucht hatte, übernahm eine schmutzige Rolle in dem Kalten Krieg mit diversen Lügen (z.B.: dass die Sowjets die beiden Meeresengen und Kars-Ardahan von der Türkei anfordern). Auf der anderen Seite wollte bzw. musste die Türkei ihren ehemaligen Verbündeten die Treue halten. Als Erben der damaligen Verbündeten im Ersten Weltkrieg hatten die BRD und die Türkei vielen von der Roten Armee desertierten hitlerchen Schlächter („Turkestanische Legion“) nach 1945 eine Heimat geboten. Ein guter Nachweis ist das Buch von Stefan Meining: „Eine Moschee in Deutschland“. (2011, München.)

Also zwei antikommunistische und demokratische Frontstaaten des Kalten Kriegs im Dienste der USA.

Das Interessanteste in dieser Konfrontation aber ist, dass die militantesten Elemente dieser schrecklichen Frontstaaten, die sich nicht scheuten, im Namen der Demokratie alle möglichen Lügen und Verleumdungen in die Politik umzusetzen. Antikommunismus war ihre Hauptmahlzeit.

Wir sprechen von der Sozialdemokratischen Partei in Deutschland (SPD) und der beinahe ihres gleichen in der Türkei, die CHP, obwohl ihre Vorgeschichten unterschiedlich sind.

Diese beiden Parteien kämpften in Solidarität gegen die sozialistischen Ideen.

Soweit ist alles in Ordnung. Es ist ihr gutes Recht, eine Politik nach ihren Wünschen zu treiben. Noch wichtiger aber ist: All dies taten sie nicht offensichtlich im Interesse des Imperialismus-Kapitalismus. Sie versteckten es und sich und erklärten alles im Namen der Linkspolitik.

Ist das etwa erstaunlich?

Nein, warum sollten wir dann über die CHP (die Republikanische Volkspartei) und die HDP (die Demokratiepartei der Völker) erstaunt sein? Betrachten wir die SPD und -abgesehen von einigen Ausnahmen- ihre geistesgleich, die Linkspartei anders?

Die CHP und „kurdische“ HDP in der Türkei – eine relativ größer als die andere – sind direkte Widerspiegelung von zwei militanten Kadern des Antikommunismus in Deutschland: Die SPD und Die Linke. Es ist gar nicht schwer, in diesem Sinne, die türkische bzw. kurdische Politik in die deutsche Politik zu übersetzen. Und umgekehrt.

Ihre Ähnlichkeit? Die SPD hat zum Ende letzten Jahres ihre Mitglieder aktiviert und diese Mitglieder favorisierten eine linke Führung. Auch Olaf Scholz war ein Kandidat und die „linken Mitglieder“ wollten ihn nicht. Sie wollten die jetzigen Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Somit kam eine „linke Führung“ an die Spitze. Und die Nominierung eines neo-liberalen Militanten wie Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten wurde genau von dieser „linken“ Führung der Partei veranlasst.

Wir brauchen nicht mehr zu den Linken zu schauen. Seitdem Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht zur Seite geschoben wurden, gibt es dort nichts -oder sehr wenig-, von dem man als Links reden kann. Sie ist eine Art „Partei des Ostens“. Sagen wir eine Projektion der HDP.

Die Ähnlichkeit liegt hier: Unter der Leitung der Männer und Frauen, die sich unverdienterweise als links präsentieren, treiben all diese Parteien unter dem Deckmantel der linken Politik immer wieder neue rechte Politik.

Das zeigt uns, dass die CHP und HDP ungefähr genauso agieren wie die SPD und Die Linke, aber in einer anderen Zeit und Konstellation.

Durch linke „Fakes“ und mit Hilfe der linken Slogans vervielfachen bzw. vervollkommnen sie die rechte Politik.

Alle gehören zu einem Montageplan der selbstverständlichsten Überzeugung von der Unmöglichkeit des Sozialismus.

Eine Waffe des Linkssein an der Berlin-Ankara-Achse

Ankara darf nicht unabhängig von Berlin betrachtet werden. Dies zeigt sich bei jeder Gelegenheit: Nicht nur bei der Ökonomie (der eigentliche Besitzer der Ökonomie der Türkei ist Deutschland samt ihren Verbindungen), sondern auch bei den großen Fragen der Politik wie der Migration und der Pandemie sind sie einander verbunden.

Berlin mag das islamistische Ankara nicht, aber wartet bis die Zeit reif wird, dass Erdoğans Leute verschwinden. Ankara überlegt, ob die Waffe, die sie momentan in Österreich ansatzweise probiert, auch in Deutschland zur Anwendung bringen kann. Man kann behaupten, dass einige islamistischen und nationalistischen Gruppen in Ankara sich auf Verhandlungen über dieses Thema vorbereiten. Berlin hat aber diese Karte schon erahnt und wird Ankara niemals erlauben, sie hier in Deutschland zu benutzen.

Berlin mag das islamistische Ankara nicht, aber wartet, bis die Zeit reif wird, dass Erdoğans Leute verschwinden. Ankara überlegt, ob die Waffe, die sie momentan in Österreich ansatzweise probiert, auch in Deutschland zur Anwendung bringen kann. Man kann behaupten, dass einige islamistische- und nationalistische Gruppen in Ankara sich auf Verhandlungen über dieses Thema vorbereiten. Berlin hat aber diese Karte schon erahnt und wird Ankara niemals erlauben, sie hier in Deutschland zu benutzen. All diese Punkte sollen wir im Kopf behalten.

Das, was uns just an diesem Moment interessiert, ist die Tatsache, dass die antikommunistische Hysterie in unserer Zeit unbedingt unter dem Deckmantel des Linksseins realisiert werden kann. Der sogenannte linke Flügel der SPD nominiert einen spitzen Vertreter des Rechts; die „linken“ Türken und Kurden halten es für reale Politik, die Männer und Frauen, die in ihrer rechtsgerichteten Politik miteinander konkurrieren, sich dem Volk als Hoffnung zu präsentieren.

Wir dürfen diejenigen, die bei der SPD und den Linken verantwortlichen Posten belegen, nicht ernst nehmen. Sie sind ein Teil eines sehr schmutzigen Spiels. Dasselbe müssen wir aber auch für die leitende Schichten der CHP und HDP sagen.

Inmitten solcher Banalitäten können nur diejenigen, die in ihrer Vergangenheit nichts außer dem Kampf für den Sozialismus geführt hatten, eine alternative Front bilden.

Insofern haben die anderen nicht das, was wir haben.

Nun lautet die Frage: Was werden wir anders machen als sie? Schließlich landen wir an dem Punkt, wo ein linkes Programm erforderlich ist. Lassen wir ein sozialistisches Programm beiseite, gibt es in dem „Deutsch-Europa“ nicht mal einen Wunsch, der nach links schielt. Ein Haufen von Bürokraten versucht, sich von den Abfällen des Kapitals zu ernähren und dabei Anhänger zu gewinnen. Man muss aber zugeben, dass diese Bürokraten es immer schaffen, ihre Positionierung als Links zu verkaufen.

Unter solchen Umständen kannst man vielleicht niemanden verständlich erklären, dass die Revolution ein Recht ist. Ein Naturrecht. Aber je schwerer sich die Trümmer auf den Rücken des Volkes anhäufen, desto unfähiger wird man, unter solchen Umständen zu erklären, dass es keinen anderen Ausweg gibt als eine sozialistische Umwandlung. Wir befinden uns auf dieser Schiene.

Wie schnell haben wir die Syriza-Affenschande vergessen? Sehen wir nicht eine Menge Männer und Frauen in der abstürzenden Türkei, die im Namen des Linksseins bzw. sogar Sozialismus in unverschämter Weise mit der Syriza-Fahne herumliefen und sich anmaßten, linke Politik zu treiben? Es ist gut, dass sie uns fernbleiben. Sie sollen uns fernbleiben.

Da befindet sich eine offizielle bzw. akzeptierbare und kaufbare Linke, die sich von dem Kapital loszulösen als eine Katastrophe empfindet und sich in jeglichem Schmutz zu baden als Politik betrachtet. Diese offizielle Linke ist dermaßen verdorben, dass sie niemals daran denkt, einen unabhängigen Kampf und eine Front zu bilden. So eine Frontbildung ist für sie unrealistisch und sogar Verrat an den arbeitenden Menschen. Mafiöse Banden, die sich in der Warteschlange der schmutzigsten Rechten einreihen, während sie die radikalsten Slogans ausrufen.

Unser Boden hat aber einen Unterschied. Die Erbfolger unseres 200-jährigen Kampfs für Fortschritt, die fähig sind zu deklarieren, dass eine sozialistische Gesellschaft möglich ist, können an ein Programm für Sozialismus, eine Gewerkschaft und ein Parlament denken. Sie fordern den als unmöglich betrachteten Sozialismus und rufen die Menschen auf, gemeinsam zu handeln.

Wir lassen diejenigen draußen, die durch ständigen Ausschau nach Westen, d.h. „Monopolistan“, Schieler wurden. Es mag sein, dass es in Europa keine Türen für ehrlichen Menschen gibt, aber bei uns gibt es sie. Warum? Weil die Krise so groß ist, dass es keinen anderen Ausweg gibt, außer einer sozialistischen Neuformung des Landes.

Sie sind vielleicht ein kleiner Hoffnungsschimmer in dem großen Trümmerhaufen. Trotzdem. Die Revolutionäre, nämlich diejenigen, die das Gras wachsen hören können, sind Menschen, die wissen, was die Funken auslösen können.

Revolutionär sein heißt nicht die Vermarktung von Linkssein unter dem Schirm des Kapitals, der Religion, des Nationalismus. Es ist die Fähigkeit, außerhalb dieser Kreise bleiben zu können, und zu deklarieren, dass man diese Kreise in den Müll der Geschichte schmeißen würde.

Das ist das Erste, was man unter der Ruine zuerst lernt. Die Ruine sind immer die Geburtsstätten der neuen Gesellschaften. Warum sollten wir hoffnungslos sein?

OSMAN ÇUTSAY
(Dieser Artıkel wurde 17.08.2020 in der Internet.Zeitung der TKP (www.sol.org.tr) veröffentlicht.