Artikel über die DDR

Die Gebrechlichkeit der Führung
bei der Auflösung der DDR

Tevfik Taş

Erich Honecker, weißt auf drei Punkte hin, welche sie als DDR unter- schätzten: die Verwurzeltheit des Nationalistischen in der Bevölkerung Deutschlands, die Relevanz von Konsumgütern und die Machtposition der Bundesrepublik Deutschland in der NATO.1

Bei der Beschreibung des ersten Problems, spricht der erfahrene Kommunist von das Nationalistische hat die DDR 1989–1990 überrumpelt und aufgelöst und macht damit eine lehrhafte Beschreibung.

Und zum Thema Verführung durch Konsumgüter sagt er: eigentlich wussten wir über diese Gefahr und fährt fort mit wir handelten im Rahmen des Machbaren, doch das Machbare gab wenig her.2 Der Handlungsspielraum war ziemlich eingeschränkt, da die Kriegsentschädigungen des Zweiten Weltkriegs überwiegend der DDR zu Last gefallen waren. Und so konnte früherer Generalsekretär der CDU, Peter Hintze, sich vor dem Hintergrund der in kürzester Zeit erreichten Erfolge der DDR mit dem Lob nicht zurückhalten und sprach von Die größte Erfolgsgeschichte des Jahrhunderts.3

Die Aussage Die DDR steckte in einer wirtschaftlichen Sackgasse und brach dadurch zusammen. hat weder Hand noch Fuß. Die DDR zählte zu den ersten 10 Ländern im Index der menschlichen Entwicklung (HDI) der Vereinten Nationen. In Sachen Sport, Kunst und Kultur, Frauenrechte und notwendige soziale Voraussetzung für Kinder war die DDR der BRD, weit voraus.

In seiner Auseinandersetzung mit der Konterrevolution geht Honecker als Viertes auf die Rolle der Kirchen ein. Besonders die protestantische Kirche war als Teil der Konterrevolution, sagt er, von Haus des Gottes zu Parteihäusern der Konterrevolution geworden. Im Jahr 1989 gab es keine Demonstration ohne einen Pastor an der Front. Und auch nach der ‘Transformation’ wurden die meisten wichtigen Positionen durch Pastoren besetzt.4

Die Belohnung Joachim Gaucks, dem evangelisch-lutherischen Pastor aus Rostock, der zunächst in die juristische Aufarbeitung von STASI-Akten aufgenommen wurde und als er sich hier als Loyal erwiesen hatte, den Posten des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland bekam, deckt sich mit den frühen Feststellungen Honeckers. Ja, Honeckers Feststellung deckt sich mit den Umständen um Gauck, aber was weiterhin Schleierhaft bleibt, ist die Frage, warum nicht verhindert werden konnte, dass Kirchen zu Handlungsräumen der Konterrevolution gemacht werden konnten.

DIE BEOBACHTUNG PETER HACKS

Als fünften Punkt in diese Liste ist aufzunehmen, der abgehackte Kopf der Deutschen Demokratischen Republik, welchen das Gorbatschow Team der Konterrevolution auf einem goldenen Tablet serviert hatte. Dass es der fünfte Punkt ist, bedeutet nicht, dass es auch einen gleichrangigen Stellenwert hat. Die Literaturwissenschaftlerin Heide Urbahn de Jauregui berichtet davon, dass Peter Hacks über die Verantwortlichen der Konterrevolution von „von-außen und von-oben“ wirkenden sprach. Hacks selbst äußert sich noch konkreter: „Der Staat (DDR) war kein Misserfolg. Moskau und Washington haben in Einigung den Staat aufgehoben.“5

Und der sechste und wichtigste Punkt ist, dass die DDR ihre revolutionäre Achtsamkeit verloren hatte. Dies umfasst einerseits das Verlieren der souveränen Haltung gegenüber des Freundes, der Kommunistischen Partei der Sowjet Union und andererseits wurde durch das Aktualisieren der marxistisch-leninistischen Grundsätze eine Gebrechlichkeit herbeigeführt.

DIE DREI FEHLER HONECKERS

Honecker war ein höchst kompetenter Kommunist. Er hat bis zu seinem Tode, nichts von seiner Entschlossenheit verloren. Jedoch hat er während alles passierte auf drei Sachen nicht geachtet oder konnte es nicht.

Erstens: Währen der gegen die Ergebenheits- und Versöhnungstendenzen mit dem Westen innerhalb der SED nicht genug Widerstand leistete, war er für einen Staatschef eines Landes, das von der Konterrevolution bedroht wurde, zugelassen. Seine Rede zum 40. Jahrestag der DDR, war überschattet von einer Gelassenheit und von Bedrohung war gar nicht die Rede.

Zweitens: Während das ZK der SED und das Politbüro immer mehr Ihre revolutionäre Achtsamkeit verlor, wurde oder konnte nicht ausreichend eingegriffen werden. Er begegnete der Offenheit Egon Krenz´ mit dem Westen ins Gespräch zu kommen, mit Toleranz und Nachsicht.6

Drittens: In der Beziehung zur KPdSU wurde keine eindeutige souveräne Haltung eingenommen, als Teile der Schwesterpartei ihre Grenzen überschritten.

Warum ist Kuba Gorbatschow und seinen Unterstützern nicht nachgegangen, während es die DDR tat?

Es wird hier sichtbar, dass Honecker trotz seiner theoretischen Aufstellung, keine so klare Position einnahm, wie Walter Ulbricht.

Die Auffassungen Ulbricht´s zum Verhältnis von Sozialismus und Kommunismus, dass es keine Übergangsphase gibt, sondern das diese jeweils gesellschaftliche Formationen sind oder dass „Überholen ohne Einzuholen im Kontext der Wirtschaftspolitik, bleiben umstritten. Dennoch war er bedacht, nicht alles was aus Moskau kam unbedacht einfach umzusetzen.

20. PARTEITAG: EIN SCHLAG GEGEN DIE INTELLEKTUELLEN

Die Rote Arme hatte unter den deutschen antifaschistischen Intellektuellen nach dem Sieg gegen die Nazis beim Zweiten Weltkrieg an Ansehen gewonnen. Die meisten sich im Exil befindenden Intellektuellen ließen sich nach dem Krieg im sozialistischen östlichen Staat des Landes nieder. Bertolt Brecht, Enst Bloch, Hanns Eisler, Stefan Heym, Anna Seghers, Arnold Zweig, Jürgen Kuczynski... Als Chruschtschow 1956 auf dem 20. Parteitag ungereimte Aussagen machte, haben einige dieser Intellektuellen im Anschluss die DDR verlassen. Manch einer hatte sich einer antimarxistischen Auffassung hingegeben7 und andere den Glauben an den Sozialismus verloren. Aber in jedem Fall fand alles, was in der UdSSR sich ereignete auch einen Anklang in der DDR.

ZWISCHEN STALIN UND DEM ´STALINISMUS´

Der Schaden den Chruschtschow über Stalin dem sowjetischen Sozialismus zugefügt hatte, hatte auch in der Führung der DDR zu “Skepsis geführt. Die Diffamierung des letzten Bolschewisten der Sowjetgeschichte, Stalin, wurde für die Verleumdung des Sozialismus gnadenlos ausgenutzt. Auf den ersten Plätzen der Argumentenliste des Kalten Kriegs fanden Lügen und Verfälschungen Chruschtschow´s überwiegend ihren Platz.

Die Stalinismus-Gegner in der DDR setzten im politischen Sinne die Maske des besseren Sozialismus auf und betrieben konterrevolutionäre Aktivitäten. Die Führung der DDR konnte oder wollte zu dieser Stalinismus genannten offensichtlichen Diffamierung keine klare Position beziehen. Sie haben weder eine offensive noch eine defensive Haltung eingenommen. Leninistische Historiker wie Kurt Grossweiler8, kommunistische Künstler wie Peter Hacks sind für Stalin und die bolschewistische Tradition, die Stalin symbolisierte eingetreten. Doch innerhalb der Parteiordnung gab es wenige, die diese Positionierung begriffen oder sich dafür einsetzten. Es war einfacher nichts zu sagen und sich im Fegefeuer zu positionieren.

Schließen wir mit Honecker’s Worten ab: Es macht keinen Sinn es zu bestreiten: Unter dem Deckmantel ´Kampf gegen den Stalinismus´ wurde gegen den Sozialismus gekämpft, genauso wie der Kampf gegen den Kommunismus unter dem Deckmantel »Kampf gegen Bolschewismus« geführt wird.9 ■

 

(1) Erich Honecker, Moabiter Notizen
zu Türkisch von Timur TurgayMoabit Hapishanesi Notları, Yazılama Yay.,Birinci Baskı, 2013, S. 58.

(2) Ibid: S. 59

(3) Ralph Hartmann, Die DDR Unterm Lügenberg, Ossietzky Verlag, 1. Auflage 2007, Hannover, S. 45.

(4) Ibid: 64

(5) Ibid: 93

(6) Georg Fülberth, Der große Versuch. Geschichte der kommunistischen Bewegung und der sozialis- tischen Staaten, PappyRosa verlag, 1994, S. 248

(7) Ernst Bloch: „Wo die Religion ist, dort ist auch Hoffnung, wo die Hoffnung ist, dort ist auch Religion.“

(8) Kurt Grossweiler hatte betont, dass mit dem Aufgeben von Stalin auch der Sozialismus aufgegeben werden würde.

(9) Erich Honecker, Moabiter Notizen zu Türkisch von Timur TurgayMoabit Hapishanesi Notları , Yazılama Yay. , Birinci Baskı, 2013, S. 76