TKP – Zentral Komitee

TKP: THESEN ZUM IMPERIALISMUS ENTLANG DER ACHSE VON RUSSLAND UND CHINA, 2017 

Übersetzt aus dem Englischen: Marc Galwas

  1. Der Imperialismus ist die höchste und letzte Stufe des Kapitalismus. Der Imperialismus ist nicht eine gelegentliche Politik, eine vorübergehende Periode oder ein reversibler Fehler des Kapitalismus; er ist der Kapitalismus selbst in einer Form, die zum Untergang reif ist. Der Kapitalismus wird keine weitere Transformation durchmachen; er wird nicht zu einem weiteren Stadium übergehen. Der Kapitalismus wird entweder mit einer sozialistischen Revolution beseitigt werden oder er wird die Menschheit weiterhin in seinem imperialistischen Stadium gefangen halten. Die Notwendigkeit des Übergangs zum Sozialismus in unserem Zeitalter sollte auf diese Weise begriffen werden. Das Zeitalter des Imperialismus ist das Zeitalter der sozialistischen Revolutionen.
  2. Der Kampf gegen den Imperialismus kann nicht unabhängig vom Kampf gegen den Kapitalismus sein. Imperialismus und Kapitalismus können nicht voneinander getrennt werden. Der Imperialismus ist die konkrete, historische Form des Kapitalismus. Ein antiimperialistischer Kampf, der nicht antikapitalistisch ist, dient nicht den Interessen der Arbeiterklasse.
  3. Der Imperialismus ist ein hierarchisches Weltsystem. Alle kapitalistischen Länder sind ein Teil dieser Hierarchie. Zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt ist die Position bestimmter Länder in der imperialistischen Hierarchie relativ. Die Hierarchie bedeutet vor allem ein Verhältnis von Vorherrschaft und Dominanz. Die Elemente innerhalb der Hierarchie können nicht gleich entscheidend für das gesamte System sein, noch müssen die Widersprüche zwischen ihnen das gleiche Gewicht für das Funktionieren der aktuellen Hierarchie oder die Bildung einer anderen haben. Deshalb ist die Identifizierung des kritischen Gliedes in einer gegebenen imperialistischen Hierarchie von großer Bedeutung für die Klärung der Richtung des Kampfes. Da die Länder an der Spitze der Struktur entscheidend für das Funktionieren der imperialistischen Hierarchie sind, ist es von strategischer Bedeutung für den revolutionären Kampf, diese Hierarchie zu analysieren. Die Identifizierung der Länder an der Spitze der Hierarchie bedeutet nicht, andere Komponenten des Systems auszuschließen und den Imperialismus als ausschließlich aus den Ländern bestehend zu sehen, die in der Lage sind, das System zu führen und zu beherrschen. Die Identifizierung der Länder, die an der Spitze des imperialistischen Systems stehen und in diesem Sinne die Bezeichnung imperialistisch verdienen, bedeutet nicht, das System auf diese Länder zu reduzieren. Die Analyse der Funktionsweise, in dem diese Länder im Fokus oder an der Spitze stehen, hilft nicht nur zu verstehen, welche Beziehungen zwischen den Ländern bestehen, die verschiedene Positionen in der Hierarchie einnehmen, und wie andere Länder in das System eingebunden sind und ermöglicht es somit auch, klare und konkrete Ziele für den politischen Kampf der Arbeiterklasse in jedem Land und auf Weltebene zu setzen.
  4. Die Konzeptualisierung des Imperialismus als hierarchisches Weltsystem ist einer der wertvollsten Beiträge Lenins zur marxistischen Theorie. Lange Zeit wurde der Begriff in einem engen Sinne verwendet, um das „imperialistische Verhalten“ der Großmächte zu definieren. Mit der Tatsache, dass die Monopolisierung zu einem dominanten Charakter des Kapitalismus wurde, erregte die Verbindung zwischen dem Phänomen des Imperialismus und der kapitalistischen Entwicklung die Aufmerksamkeit einiger Autoren; aber es war Lenin, der einen robusten ganzheitlichen Ansatz aufbaute und ihn mit dem Kampf der Arbeiterklasse für die Revolution verband.
  5. Wie Lenin vor fast 100 Jahren zeigte, ist der Imperialismus eine hierarchische Ordnung, in der der Weltmarkt ständig geteilt und wieder neu aufgeteilt wird. Die konkreten und historischen Erscheinungsformen der Hierarchie haben sich verändert, seit Lenin die Theorie des Imperialismus vorgelegt hat, und sie können sich auch in Zukunft verändern. Das liegt daran, dass die konkreten und historischen Hierarchien des Imperialismus und die relativen Positionen der Länder innerhalb solcher Hierarchien eine sehr dynamische Struktur aufweisen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Kapitalismus selbst eine andere Transformation als den Imperialismus durchlaufen kann. Der Kapitalismus wird keinen anderen Charakter als den des Imperialismus annehmen.
  6. Lenins Beiträge beleuchteten die Verwandlung des Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium in eine reaktionäre Struktur als Ganzes und in irreversibler Weise; die Wurzeln der Arbeiteraristokratie, die die Arbeiterbewegung in den herrschenden kapitalistischen Ländern befällt; die politischen Ergebnisse der ungleichmäßigen Entwicklung des Kapitalismus; den Zusammenhang zwischen der Konkurrenz zwischen den imperialistischen Ländern und den Kriegen; die Möglichkeiten, die sich aus den inneren Widersprüchen der imperialistischen Welt für die Arbeiterbewegung ergeben; die Bedeutung und die Grenzen der gegen den Imperialismus entwickelten nationalen Befreiungsbewegungen für den weltrevolutionären Prozess.
  7. Die Tatsache, dass der Imperialismus ein Weltsystem ist, das ausnahmslos alle Länder einschließt, bedeutet nicht, dass der Begriff „imperialistisches Land“ für alle Elemente des Systems verwendet werden kann. Ein imperialistisches Land ist ein Land, das in einem hierarchischen Weltsystem im Endstadium der kapitalistischen Entwicklung die Fähigkeit hat, die ökonomische, politische, militärische, ideologische und kulturelle Dynamik anderer konstituierender Länder der Struktur zu beeinflussen und zu steuern. Die Tendenz, solche Beziehungen herzustellen, ist nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit, solche Beziehungen konkret herzustellen. Es ist immer das zweite Kriterium, das für die Definition eines imperialistischen Landes gilt. Deshalb sollte die Frage, ob ein bestimmtes Land imperialistisch ist oder nicht, am Ende einer konkreten Analyse immer mit einer politischen Perspektive beantwortet werden.
  8. Der Imperialismus ist keine Tatsache, die nur auf der wirtschaftlichen Ebene beobachtet wird, sondern ein mehrdimensionales Weltsystem, das politische, ideologische, militärische und kulturelle Aspekte hat. Daher sollte die imperialistische Vorherrschaft und Dominanz nicht nur auf der ökonomischen Ebene analysiert werden, sondern auch unter Berücksichtigung ihrer politischen, ideologischen, militärischen und kulturellen Dimensionen. Um sich an die Spitze der imperialistischen Hierarchie zu setzen, reicht es nicht aus, gelegentliche Vorherrschaftsverhältnisse in einem oder mehreren dieser Bereiche zu etablieren. Auch das Potenzial, in all diesen Sphären ein Herrschaftsverhältnis zu etablieren, entscheidet nicht über die Hierarchie. Das liegt daran, dass die Materialisierung eines solchen Potenzials nicht nur Klassenkämpfe im Allgemeinen, sondern auch innere Widersprüche des Imperialismus beinhaltet und es für ein Land ein sehr komplexer und mehrdimensionaler Prozess ist, einen solchen Charakter in allen Sphären zu entwickeln. Um eine imperialistische Vorherrschaft zu erkennen, sollte in all diesen Sphären ein konkretes Verhältnis erkennbar sein. Ein solches Gebot schließt die Existenz von Beziehungen wechselseitiger Abhängigkeit und Vorherrschaft in verschiedenen Sphären und auf verschiedenen Ebenen zwischen den Ländern des Systems nicht aus. Solche Beziehungen machen ein Land nicht per se imperialistisch; aber sie sind dem Imperialismus als Weltsystem inhärent und stellen eine strukturelle Art der Artikulation zum System dar.
  9. Um die Funktionsweise des Imperialismus zu verstehen, ist es unerlässlich, die Beziehung zwischen den verschiedenen Ebenen zu analysieren. Das naturgemäß hohe Gewicht der ökonomischen Ebene sollte nicht dazu führen, dass man die dynamische Beziehung zwischen der ökonomischen Ebene und der politischen, ideologischen, militärischen und kulturellen Ebene zerreißt. Das Problem entsteht in der Regel nicht durch das Weglassen einer Ebene, sondern durch das Versäumnis, korrekte Verbindungen zwischen den Ebenen herzustellen. Solange die ökonomische Ebene einer ausschließlich ökonomischen Analyse, die politische Ebene einer ausschließlich politischen Analyse oder die militärische Ebene einer ausschließlich militärischen Analyse unterworfen wird, ist es unvermeidlich, dass jede Sphäre zu einer anderen Interpretation des Imperialismus führt. Wesentlich ist hingegen, die Funktionsweise des Imperialismus auf all diesen Ebenen vollständig und integriert zu begreifen. Nur so ist es möglich, die Dynamik der imperialistischen Hierarchie zu analysieren.
  10. Unter Imperialismus versteht man die Tatsache, dass selbst die am weitesten entwickelten kapitalistischen Regionen Teilungs- und Neuaufteilungskämpfen unterworfen sind, und dass sie einer äußerst dynamischen Entwicklungslinie folgen, die von Klassenkämpfen bestimmt sind, aber auch von den politischen Aktionen der Staaten abhängen. Der Imperialismus kann nicht als Vorherrschaft der entwickelten kapitalistischen Länder über die unterentwickelten Länder aufgefasst werden. Außerdem kann der Imperialismus keineswegs als alleinige Beziehung oder Konflikt zwischen Zentrum und Peripherie oder zwischen entwickelten und unterentwickelten Ländern betrachtet werden. Genauso wie an der Peripherie oder in den unterentwickelten Ländern hat der Imperialismus auch im Zentrum oder in den entwickelten Ländern eine transformierende Wirkung, und auch in diesen Ländern sind Klassenkämpfe ausschlaggebend für das Handeln. Der Imperialismus ist kein eindimensionaler, einseitiger wirtschaftlicher Prozess, der nur auf internationaler Ebene definiert und betrachtet werden kann, sondern eine mehrdimensionale Tatsache mit ideologischen, politischen und militärischen Aspekten, die das innere Gleichgewicht eines jeden Landes beeinflusst. Darüber hinaus wirkt sich jede Veränderung des inneren Gleichgewichts eines jeden Landes auf die Entwicklungen auf internationaler Ebene aus.
  11. Im Funktionieren des imperialistischen Systems hat die Konkurrenz zwischen den Ländern an der Spitze der Hierarchie eine entscheidende Bedeutung. Jene Analysen, die die Konflikte zwischen den Imperialisten vernachlässigen und annehmen, dass diese Länder als homogene Einheit um gemeinsame Interessen handeln, sind weit davon entfernt, die Verwerfungen zu analysieren, die das System erlebt. Wenn man versucht, das System im Sinne von bilateralen Beziehungen zwischen dem Zentrum, welches die Umwälzungen durchführt und denjenigen Ländern, die sich dem Zentrum widersetzen, zu verstehen – wobei die Länder an der Spitze des imperialistischen Systems versuchen, die Ressourcen der Länder an der Basis zu beherrschen -, werden nicht nur die Widersprüche innerhalb der Länder im sogenannten Zentrum unterschätzt, sondern auch die Positionen der anderen Länder, die als Objekte betrachtet werden, im kapitalistischen Weltsystem ent-subjektiviert.
  12. Einseitige Abhängigkeitstheorien vereinfachen die inneren Hierarchien des imperialistischen Systems zu stark und führen zu falschen politischen Schlussfolgerungen, wie man an vielen Beispielen in der Vergangenheit und Gegenwart der kommunistischen Weltbewegung sieht. In einer Beziehung zwischen einem Land an der Spitze der imperialistischen Hierarchie und einem schwächeren Land ist der Nettotransfer von Geldern wahrscheinlich einseitig, und wir können von einer militärisch-politischen Vorherrschaft zugunsten des imperialistischen Landes sprechen; doch das macht weder die Bourgeoisie des schwächeren kapitalistischen Landes zu einem Opfer, noch macht es dieselbe Klasse zu einem potentiellen Verbündeten der Arbeiterklasse auf irgendeiner Ebene.
  13. Aus den Positionen in der imperialistischen Hierarchie lassen sich keine direkten Rückschlüsse auf die historischen Rollen der Länder ableiten. Die Tatsache, dass die Länder, die nicht an der Spitze der Hierarchie stehen, begrenzte Auswirkungen auf das System im Allgemeinen haben, macht ihre internationalen Aktionen nicht fortschrittlich. Was zählt, sind die Interessen der Arbeiterklasse, nicht die der Länder. Die Interessen eines Landes gewinnen nur dann an Bedeutung und Wichtigkeit, wenn sie mit den Interessen der Arbeiterklasse übereinstimmen.
  14. Die Hierarchie des Imperialismus ist von Natur aus einer dynamischen Struktur, die dazu neigt, sich zu verändern. Eine Transformation in der Hierarchie führt nicht in allen Fällen zur Ablösung des hegemonialen Elements des Systems. Auch wenn eine Transformation in der Hierarchie, die so radikal ist, dass sie zum Erscheinen eines neuen hegemonialen Elements führt, zur Akkumulation revolutionärer Energie vor allem in den schwächeren Gliedern des Systems führen kann, deckt sich eine solche Transformation nicht unbedingt mit den Interessen der Arbeiterklasse. Der Übergang von einer imperialistischen Hierarchie auf der Grundlage der britischen Hegemonie zur imperialistischen Hierarchie auf der Grundlage der US-Hegemonie ist ein Beispiel für eine solche Dichotomie.
  15. Die USA, der Anführer des Systems, führt den Imperialismus seit langem an; das bedeutet jedoch nicht, dass ihre Position dauerhaft ist. Theoretisch haben die Konkurrenz und die Widersprüche innerhalb des Systems das Potenzial, Transformationen in allen Instanzen der Hierarchie zu erzeugen, einschließlich an der Spitze. Die Funktionsweise des Systems lässt nicht zu, dass solche Transformationen spontan eine progressive Rolle einnehmen. Die Dynamik, die die US-Hegemonie erschüttert, löst nicht notwendigerweise eine Entwicklung zu Gunsten der globalen Interessen der Arbeiterklasse aus.
  16. Die Existenz bestimmter Länder, die die imperialistische Hierarchie herausfordern und Störungen im System erzeugen, führt nicht in allen Fällen zu günstigen Konsequenzen für den Kampf der Arbeiterklasse. Der kapitalistische Charakter dieser Länder, die im Rahmen des Systems handeln, sollte niemals vergessen werden. Der Fokus sollte auf die störenden Auswirkungen der Konflikte gelegt werden, die sich aus der Natur des Systems ergeben, und auf die Krisendynamik, die sich aus den Herausforderungen an die Hierarchie und ihren Auswirkungen auf die Klassenkämpfe ergibt. Das ist es, was die Geschichte voranbringen wird.
  17. Die Tendenz, in der imperialistischen Hierarchie aufzusteigen und damit zu einer imperialistischen Macht zu werden, ist dem System inhärent. Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse und, damit verbunden, die politische und militärische Dynamik zwingen theoretisch jedes Land, sich in der Hierarchie zu bewegen. Die Tendenz, eine imperialistische Macht zu werden, ist eine der Quellen der Dynamik von Widersprüchen und Krisen im System. Als konkretes Ergebnis einer solchen Tendenz nehmen auch Länder, die nicht an der Spitze der Hierarchie stehen, regionale oder konjunkturelle imperialistische Rollen innerhalb des Systems ein. Man sollte nie vergessen, dass solche Rollen, die manchmal zu Spannungen und Reibungen in der imperialistischen Hierarchie führen, als Werkzeug fungieren können, um den Weg für imperialistische Ziele zu ebnen, und dass eben dieselben Ziele verschiedene Länder ermutigen können, solche Rollen zu übernehmen.
  18. Man ist gut beraten, Analysen zu vermeiden, die zwar die Charakteristika des Imperialismus als ein die ganze Welt durchdringendes System und die von jedem Land in einer bestimmten Phase des Kapitalismus übernommenen imperialistischen Rollen betonen, aber die imperialistische Hierarchie selbst trivialisieren. Das Phänomen der imperialistischen Hegemonie als grundlegendes Element der imperialistischen Hierarchie sollte nicht unterbewertet und die Verflechtung zwischen antiimperialistischen Kämpfen und sozialistischer Revolution nicht geschwächt werden.
  19. Die Umwandlung des Kapitalismus in den Imperialismus bedeutet, dass er eine fortgeschrittene Form erreicht hat, zusammen mit all seinen internen Konflikten und Krisendynamiken. Es ist klar, dass es eine nicht-lineare Beziehung zwischen den Transformationsprozessen innerhalb der imperialistischen Hierarchie und den kapitalistischen Krisen gibt, die immer komplizierter und internationalisierter werden. Das entscheidende Bindeglied, das den kapitalistischen Krisen eine kompliziertere und internationalere Dimension verleiht, ist die Entstehung der Kapitalisierung und Internationalisierung, die mit dem Imperialismus ihren Höhepunkt erreicht hat. Fiktives Kapital ist nicht einzigartig für den Imperialismus, aber das massenhafte Fiktivwerden von Kapital ist einzigartig für den Imperialismus. Fiktives Kapital ist nicht einzigartig für den Imperialismus; jedoch ist die massenhafte Kapitalfiktion einzigartig für den Imperialismus. Im Stadium des Imperialismus ist die Finanzierung nicht einfach die Verwaltung des Systems mit einer Vielzahl von Finanzinstrumenten; viel entscheidender ist die Fähigkeit des Monopolkapitals, den Reichtum zu verwalten, der nicht in seinem eigenen Besitz ist. So wird nicht nur die Hierarchie des Kapitalakkumulationsprozesses verfestigt und brachliegendes Vermögen in den Akkumulationsprozess einbezogen, sondern auch die Kontrolle über den gesellschaftlichen Reichtum durch eine Vielzahl von Finanzinstrumenten sichergestellt. Im Stadium des Imperialismus geht die Vertiefung des Kapitalismus immer mit der Zunahme der Fragilität einher. Die Linie der wirtschaftlichen Entwicklung der Länder, die später in das System eingegliedert werden, oder der Länder, die im System allmählich erstarken, folgt ebenfalls einem parallelen Verlauf. Unser Zeitalter ist ein Zeitalter der großen Krisen und auch ein Zeitalter der komplizierten und mehrdimensionalen Werkzeuge, die zur Überwindung solcher Krisen entwickelt werden. Der Reifegrad des Kapitalismus sollte nicht zu der Vorstellung führen, dass der Kapitalismus frei von Krisen ist oder dass er eine Struktur erreicht hat, die in der Lage ist, alle diese Krisen zu überwinden. Nichtsdestotrotz wird der Kapitalismus nicht durch Krisen zerstört, sondern durch die Arbeiterklasse, die unter der Führung ihrer Partei die Krisen ausnutzen und dem System den finalen Schlag versetzen wird.
  1. Eine notwendige Folge der krisenerzeugenden Struktur des Imperialismus, der sich nie von den Krisenzyklen befreien kann, ist eine permanente Kriegsgefahr. Das Ausmaß bzw. die Intensität der Kriege hängt mit dem Niveau der Widersprüche innerhalb des imperialistischen Systems zusammen. Krieg ist nicht der einzige Weg zur Vernichtung des entwerteten Kapitals und nicht jede Krise innerhalb des imperialistischen Systems führt notwendigerweise zu einem Krieg. Im gegenwärtigen Stadium des Kapitalismus verschwindet die Kriegsgefahr jedoch nie; der Imperialismus schließt die Option eines dauerhaften Friedens strukturell aus.
  2. Im imperialistischen System bilden die wirtschaftlichen Interessen und die politischen und militärischen Interessen eines Landes eine Totalität. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Verbindungen zwischen diesen Interessen schwach sind; es ist aber auch ein Irrtum zu behaupten, dass eines dieser Interessen die anderen auf unmittelbare und direkte Weise bestimmt. Zum Beispiel können Kriege oder Konflikte nicht als unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen der Länder betrachtet werden; sie sind aber auch nicht unmittelbare Ergebnisse derselben wirtschaftlichen Interessen. Die Verbindung zwischen dem Politischen, dem Militärischen und dem Ökonomischen sollte in Übereinstimmung mit der Logik der allgemeinen Funktionsweise des Kapitalismus gefasst werden. Der Imperialismus ist keine Arena des Kampfes zwischen Staaten, die durch systeminterne Konflikte und Konkurrenz bestimmt wird. Das Ausbeutungsverhältnis zwischen Kapital und Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene sollte niemals ignoriert werden. Daher sollte die Klassenidentität und -zugehörigkeit des betreffenden Staates in den Mittelpunkt der Analyse gestellt werden.
  3. Der Imperialismus funktioniert heute immer noch durch ein Modell, in dem die Nationalstaaten in einer hierarchischen Struktur miteinander verflochten sind. Die Änderung der Formen der Einbindung der Nationalstaaten in das System, die Beschneidung oder Schwächung der internen Entscheidungsprozesse der Länder zugunsten der Interessen des internationalen Kapitals und sogar die Abschaffung solcher Mechanismen in bestimmten Fällen in Folge der Auflösung der Sowjetunion bedeuten nicht, dass der Imperialismus keine Nationalstaaten braucht. Es besteht eine unauflösbare Spannung zwischen den Tatsachen, dass das Kapital einerseits die Nationalstaaten für seine eigenen Interessen braucht und andererseits seine internationalen Interessen im Widerspruch zu den nationalstaatlichen Mechanismen stehen. Diese Spannung ist ein Indikator für die politische Krise des Imperialismus. Der schnelle Verlauf der Europäischen Union als Integrationsprojekt in Richtung ihres Scheiterns ist eines der besten Beispiele für diese Tatsache.
  4. Im Zeitalter des Imperialismus ist der Klassenkampf die Hauptdynamik, die die Geschichte vorantreibt. Die Verengung dieses Kampfes auf einen zwischenstaatlichen Konflikt oder Wettbewerb verschleiert den grundlegenden Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, den Widerspruch, dessen Lösung das Schicksal der Menschheit verändern wird. Eine solche Modellierung des Kampfes maskiert den Faktor Arbeiterklasse mit einer Art Kategorie der „Unterdrückten“, die ein Bild von Nation oder Volk voraussetzt. Außerdem ist es falsch zu behaupten, dass Monopole und kapitalistische Klassen keine nationalen Identitäten besäßen. Nationalstaaten, die den Interessen der großen Monopole dienen, übernehmen die Rolle, die Hindernisse für das Kapital im nationalen und internationalen Maßstab aus dem Weg zu räumen, was in der Funktionslogik des Imperialismus liegt. Anstelle einer einzigen globalen Einheit brauchen die herrschenden Klassen eine geteilte Welt; so können sie mit Hilfe dieses oder jenes Staates gegen die Errungenschaften des Proletariats konkurrieren und die Kapitalakkumulation sichern. Die Annahme, das Kapital sei völlig multinational geworden, ist ein versteckter Versuch, den Imperialismus als System zu verschleiern.
  5. Die Krise des Imperialismus, die ökonomische, ideologische und politische Aspekte hat, erfordert eine Veränderung seiner gegenwärtigen Struktur und seines Mechanismus. Jede Krise des Kapitalismus bietet dem System eine Chance zur Umstrukturierung. Ob die sich immer weiter vertiefende Krise des Imperialismus zu einer Umstrukturierung führen wird, die das System für eine Weile entlastet, oder zu einem Aufruhr, der die Krise weiter vertieft, hängt nicht nur von den Positionen der Akteure des Systems und den Strategien des internationalen Kapitals ab, sondern auch von den Interventionen der Arbeiterklasse und der kommunistischen Bewegung von außerhalb des Systems.
  6. Die Wirtschaftskrise des imperialistisch-kapitalistischen Systems erreichte in der Krise von 2007- 2008 ihren Höhepunkt und wurde sichtbar. Diese Krise war nicht zufällig oder eine Folge von Fehlentscheidungen einiger der Akteure des Systems. Das System selbst generiert solche Krisen von Natur aus. Der Kapitalismus kann niemals radikale Lösungen für die Probleme der Überproduktion, des Rückgangs der Profitrate und der Schrumpfung des Kapitalakkumulationsprozesses finden.
  7. Die ideologische Krise des Imperialismus zeigt sich darin, dass er keine Ideen liefert, die die Massen für einige Zeit motivieren und inspirieren. Der Kapitalismus besiegte den Sozialismus vor allem auf dem Gebiet des ideologischen Kampfes und erklärte das Ende der Geschichte, die mit den Mitteln des Klassenkampfes geschrieben wurde. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus behauptete der Kapitalismus seine Dominanz über Begriffe wie Freiheit und Demokratie und konnte die Menschen mit Diskursen über Globalisierung und Integration lenken. Und doch hat der Kapitalismus auf dem Gebiet des ideologischen Kampfes an Boden verloren.
  8. Im Zusammenhang mit den ökonomischen und ideologischen Problemen hat der Imperialismus ein ernsthaftes politisches Regierungsproblem bekommen. Der Mechanismus, in dem die USA als ultimativer Entscheidungsträger agieren, funktionierte in mehreren Fällen nicht. Obwohl sich die Position der USA in der imperialistischen Hierarchie nicht geändert hat, wird die Existenz von bedrohlichen Akteuren in der gegebenen Phase von allen anerkannt. Was die Position der USA vorerst sichert, ist die Unfähigkeit anderer Akteure wie der Volksrepublik China und Russlands, auf wirtschaftlichem, politischem, militärischem und kulturellem Gebiet ganzheitlich und konsequent selbstbewusst aufzutreten. Allerdings sind die USA in all diesen Bereichen teilweise bedroht. Darüber hinaus geraten die USA in eine sich vertiefende Konkurrenz zu anderen europäischen Staaten in ihrem Bündnissystem, wie z.B. Deutschland.
  9. Die Ereignisse vor und nach den US-Präsidentschaftswahlen müssen als Indikator und Ergebnis der tiefen Krise, die das kapitalistische Weltsystem durchläuft, und als Entwicklungen, die die Krise vertiefen, betrachtet werden. Die mangelnde Fähigkeit des US-Kapitalismus, unterschiedliche ökonomische Tendenzen auf nationaler und internationaler Ebene als geschlossener Block zu lösen, und die durch unterschiedliche Tendenzen des Kapitals verursachte Depression verursachen politische Konsequenzen. Darüber hinaus ist der Niedergang der US-Hegemonie über die Mechanismen der Ideologiebildung des Kapitalismus sowohl in der US-Innenpolitik als auch in der internationalen Politik zu beobachten. So sind die militärische Überlegenheit der USA und ihr traditionelles politisches Gewicht in der imperialistischen Hierarchie unzureichend, um die tiefe Krise zu bewältigen, die das politische System der USA durchmacht.
  10. Der Rückgang der ordnenden und manipulierenden Rolle der USA innerhalb der imperialistisch- kapitalistischen Hierarchie hat die strukturellen Probleme der Europäischen Union verschärft. Auch die sich verstärkenden Eingriffe der Russischen Föderation und der Volksrepublik China in das System hatten erhebliche Auswirkungen auf die europäische Ebene und beschleunigten den Auflösungsprozess der Europäischen Union. In diesem Auflösungsprozess nimmt mit dem Zerfall Großbritanniens, das von Anfang an eine Sonderstellung im Integrationsschema hatte, das Gewicht Deutschlands auf dem alten Kontinent unweigerlich zu. Diese Gewichtszunahme verschärft die Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten und führt zu einer Umstrukturierung der Abhängigkeitsverhältnisse auf europäischer Ebene und für die Länder, die sich im Einflussbereich Europas befinden. Dieser Prozess, der die Reibungen und Spannungen zwischen den zentralen Nationen Europas und insbesondere zwischen den USA und Deutschland verstärkt, wird durch die Interventionen der Russischen Föderation weiter ausdifferenziert. Die Krise in Europa, die ein historisches Moment im Verlauf des Klassenkampfes ist, ist der Vorbote, der zeigt, dass sich das bestehende Gleichgewicht ändern muss und ändern wird.
  11. Die Probleme aufgrund von Akteuren, vor allem Russland und der Volksrepublik China, die das Manövrierfeld der USA innerhalb des internationalen Systems einengen, hängen mit der multidimensionalen Krise des Imperialismus zusammen. Das Integrationsmodell und der hierarchische Mechanismus, die nach dem Zusammenbruch des Sozialismus entwickelt wurden, haben sich zwar in relativ kleineren Ländern bewährt, sind aber unzureichend für die Sicherung der Positionen Russlands, das als Erbe des zentralen Landes des Realsozialismus gilt, und der Volksrepublik China, die zu einer großen Wirtschaftsmacht geworden ist, innerhalb des Systems. Verbunden mit dem systematischen Streben Russlands und der Volksrepublik China auf dem internationalen Parkett versagten die bestehenden Mechanismen des Imperialismus und das Gleichgewicht wurde durcheinander gebracht.
  12. Wenngleich die Frage, ob Russland und die Volksrepublik China als imperialistische Länder betrachtet werden müssen, von einer ganzheitlichen Analyse wirtschaftlicher, militärischer und kultureller Zusammenhänge abhängt, so ist sie doch letztlich eine politische Frage. Die Position, die beide Länder innerhalb des imperialistischen Systems einnehmen, macht es schwierig, diese Länder bei der Definition der imperialistischen Länder außen vor zu lassen. Außerdem ändern die Instabilitäten der russischen Wirtschaft und die Schwächen in der Finanzstruktur Russlands und Chinas nichts am imperialistischen Charakter beider Länder. Entscheidend ist die Tatsache, dass der Imperialismus eine hierarchische Weltordnung ist und jeder Akteur innerhalb dieses Systems nicht ohne Berücksichtigung der grundlegenden Merkmale des Systems betrachtet werden kann. Obwohl die Russische Föderation und die Volksrepublik China im Vergleich zu den dominierenden imperialistischen Ländern erhebliche Schwächen aufweisen, sind beide imperialistische Länder, deren Interventionskapazitäten mit ihrem beträchtlichen Wirtschaftspotenzial, mächtigen Monopolen, fortgeschrittenen militärischen Potenzialen und langjährigen politischen und diplomatischen Traditionen immer größer werden. Die störende oder ausgleichende Position beider Länder gegenüber den internationalen Interventionen der dominierenden imperialistischen Länder, hauptsächlich der USA, hat ihren Ursprung in dieser Tatsache. Abgesehen davon verschafft eine solche Position der internationalistischen Arbeiterbewegung etwas Zeit, um sich um eine unabhängige Kampfrichtung herum zu organisieren. Ob Russland und China in der gegenwärtigen Situation als imperialistische Länder betrachtet werden können, hängt von den politischen Bedürfnissen und Aufgaben der Kommunisten ab. Die bisherige terminologische Präzision, mit der die Kommunistische Partei der Türkei (TKP) den Begriff „imperialistisches Land“ für die USA und die prominenten EU-Länder, die immer noch die gefährlichsten und aggressivsten sind, verwendet, lässt sich nicht unbegrenzt halten.
  1. Russland ist Teil des imperialistisch-kapitalistischen Systems. Daher sollten die Probleme, Rivalitäten und Konflikte zwischen Russland und den übrigen Ländern innerhalb dieses Systems als interne Probleme und Widersprüche des Systems analysiert werden. Die störende Position, die Russland gegenwärtig innerhalb des Systems einnimmt, rührt nicht daher, dass Russland zu einem Akteur des Widerstands gegen das imperialistische System geworden ist, sondern von den Problemen und neuen Widersprüchen her, mit denen Russland bei seiner Integration in die Weltordnung in der postsowjetischen Ära konfrontiert ist.
  2. Unter den Faktoren, die die Position Russlands innerhalb des Systems bestimmen, überwiegen die politischen, militärischen und kulturellen Faktoren gegenüber den wirtschaftlichen, und Russland scheint in Bezug auf die wirtschaftlichen Indikatoren immer noch schwächer zu sein, um an der Spitze der imperialistischen Hierarchie zu stehen. Russland hat jedoch enorme Möglichkeiten für politische und militärische Manöver, um das interne Gleichgewicht des imperialistischen Systems zu untergraben, basierend auf Faktoren wie seiner geographischen Ausdehnung, seiner physischen Infrastruktur, insbesondere seiner industriellen Produktion, seinen reichen natürlichen Ressourcen und seinen ausgebildeten Arbeitskräften. Außerdem wirken sich die politischen, militärischen und ideologischen Vorteile Russlands positiv auf seine wirtschaftlichen Bedingungen aus. Die historisch gewachsene politische und kulturelle Position Russlands in den Augen der Nachbarländer erleichtert die imperialistische Vision Russlands. Putins Russland zögert nicht, das Erbe Sowjetrusslands zu missbrauchen, indem es dieses vom Sozialismus trennt, um das gleiche Ziel zu erreichen.
  3. Die Wirtschaft Russlands zeigt charakteristische Merkmale einer verspäteten Verflechtung mit dem kapitalistischen Weltsystem. Eine mächtige kapitalistische Klasse entstand in Russland durch die Ausplünderung des Reichtums, der während der gesamten sozialistischen Periode für die gesellschaftlichen Bedürfnisse geschaffen worden war, mittels eines Modells wie der ursprünglichen Kapitalakkumulation. Nach dieser immensen Privatisierungswelle bedeutete die Vermehrung des Staatseigentums durch Verstaatlichung niemals eine Zurückdrängung oder Einschränkung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Es sollte kein Zweifel an den kapitalistischen Eigenschaften der russischen Wirtschaft bestehen. Die Zunahme der Rolle des Staates in der Wirtschaft mit der Herrschaft Putins in den 2000er Jahren resultierte nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern ermöglichte auch eine Umstrukturierung des Kapitals aus politischen und ideologischen Gründen im Einklang mit dem neuen nationalen und internationalen Weg Russlands. Während die Rolle des Staatseigentums zunahm, wurden einige Fraktionen der Oligarchen entmachtet und andere um Putins Herrschaft konsolidiert. Die Ressourcen, die durch den unkontrollierten und schwer vorhersehbaren Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise zusammenkamen, stärkten Putins Herrschaft. Hinzu kommt, dass das Staatseigentum vor allem im Energiesektor in Russland von den internationalen Monopolen bevorzugt wurde, da sie es im Vergleich zur instabilen Struktur Russlands in den 1990er Jahren als sichernden und regulierenden Faktor schätzten.
  4. Die russische Wirtschaft hat die Fähigkeit zum Durchbruch, sofern sie ihre Beschränkungen der Kapitalakkumulation überwindet, mit ihrer aus der Sowjetunion übernommenen industriellen Infrastruktur, ihrem Selbstversorgungsgrad in Bezug auf ihre Grundindustrien zusammen mit ihrem Reichtum an natürlichen Ressourcen sowie ihrer führenden Position im Export von Petrochemie und ihrer vorteilhaften Position in den Hochtechnologiesektoren in Bezug auf ihre fortschrittliche Industrie in den Bereichen Verteidigung, Luftfahrt und Raumfahrt. Daher kann die russische Wirtschaft nicht mit einem vereinfachten Wirtschaftsmodell erfasst werden, das auf dem Export natürlicher Ressourcen und insbesondere auf dem Export von Energie basiert.
  5. Mit seiner strategischen Position inmitten der wichtigsten Energieressourcen der Weltwirtschaft, seinem natürlichen Reichtum und seiner Wirtschaftsstruktur hat Russland das Potenzial, seinen regionalen Einfluss in eine globale wirtschaftliche und politische Macht zu verwandeln. Dieses Potenzial Russlands macht es notwendig, den störenden Einfluss Russlands auf das bestehende Gleichgewicht innerhalb des imperialistischen Systems nicht als eine zeitliche, sondern als eine strukturelle Tatsache zu betrachten.
  6. Es gibt eine schwache Arbeiterbewegung in Russland, trotz der entwickelten industriellen Infrastruktur und der gut ausgebildeten und urbanisierten Arbeiterklasse des Landes. Die Liquidation von organisierten Gewerkschaften aus der Sowjetunion im Zuge der Restauration des Kapitalismus hat die Bewegung der Arbeiterklasse nachhaltig geschädigt. Putins Herrschaft schafft auch systematisch politische, rechtliche und wirtschaftliche Hindernisse gegen die Organisierung der Arbeiterklasse, so dass der allgemeine Organisationsgrad in der Arbeiterklasse weiter sinkt und Organisationen, die eine Alternative zu den staatlich kontrollierten Gewerkschaften darstellen, sich nur langsam entwickeln. Die generelle Krise der Gewerkschaftsbewegung lässt sich in Russland deutlich beobachten. Die Arbeiterklasse in Russland, die auf die wirtschaftlichen Entwicklungen reagierte und in einigen Fällen Gewinne erzielte, ist nicht so mächtig, um sich als politische Klasse zu behaupten. Außerdem ist der Teil der Arbeiterschaft außerhalb der Industriearbeiter eher inaktiv und unorganisiert.
  7. Die politische Arena in Russland steht unter dem Einfluss des Phänomens, das als Putinismus bekannt wurde. Die bürgerliche Opposition in Russland wird zu einem großen Teil von Putin selbst bestimmt. Wenn der allgemeine Konsens in Russland über Putins Außenpolitik mit Putins Geschick, diesen Einfluss in der Innenpolitik zu nutzen, gekoppelt wird, wird das Manövrierfeld der bürgerlichen Opposition in Russland enger. Die liberale und pro-westliche Opposition, die Putins außenpolitische Schritte aus einer pro-imperialistischen Perspektive heraus ablehnt, hat weder gesellschaftliche Unterstützung noch politischen Einfluss. Der Liberalismus hat keine Chance, eine Kongruenz mit den Industriearbeitern herzustellen, die in Russland eine große Autorität haben. Putins Partei „Einiges Russland“ konsolidiert ein gewisses Maß an Unterstützung und sogar organisiertes Handeln unter der Arbeiterklasse, insbesondere in Bezug auf die Außenpolitik. Die Tatsache, dass das Eigentum in Russland, wo die Dominanz des staatlichen Sektors für eine beträchtliche Zeit fortbestehen wird, nicht den Besitzer wechseln wird, bietet die objektiven Bedingungen für die Kontinuität dieser Unterstützung. Die Arbeiterbevölkerung ist einem eklektischen Diskurs aus Nationalismus, religiöser Politik, Liberalismus und Konsumismus ausgesetzt. Putins Herrschaft nimmt sogar gezielt Bezug auf die 74 Jahre Geschichte, ohne die sozialistische Vergangenheit zu erwähnen. Man bedient sich bewusst und systematisch eines Bildes der vom Sozialismus gereinigten Sowjetunion und nutzt es, um das Erbe des Sozialismus auszulöschen.
  8. Russland hat eine einmalige außenpolitische Tradition geerbt, die in der sozialistischen Periode begründet wurde, das mächtige und siegreiche Erbe der Roten Armee, die fortschrittliche Infrastruktur der Sowjetunion und gut ausgebildete Arbeitskräfte, die in der sozialistischen Periode geschult wurden; und es ist ein Land mit immensen geographischen Gegebenheiten, Energieressourcen und wirtschaftlichem Potential. Obwohl Russland nach der Auflösung des Sozialismus den kapitalistischen Weg einschlug, wurde es nicht in ein Land verwandelt, das sich vollständig den Spielregeln und dem vom dominierenden imperialistischen Land USA bestimmten Paradigma unterordnete und sich bedingungslos an die bestehende Hierarchie des internationalen kapitalistischen Systems hielt. Dieser Integrationsplan war in Russland nicht anwendbar, und das war einer der Gründe, warum die unterwürfige Politik der Jelzin-Periode aufgrund von Wirtschafts- und Verwaltungskrisen in eine Sackgasse geriet. Während der Auflösung der UdSSR hat ein objektiver Widerspruch, der sich durch das historische Erbe des Sozialismus und der sozialen Struktur geltend gemacht hat und das liberale Ausplünderungsprogramm bis zu einem gewissen Grad behindert, obwohl sich die Politiker dieses Landes ihm auf eine ziemlich unehrenhafte Weise unterworfen haben. Es sollte jedoch daran erinnert werden, dass der unveränderliche Wunsch Russlands während der Zeit der kapitalistischen Restauration die Integration in das imperialistische System war und es seit 1991 keine Unterbrechung und keinen Bruch gab. Auch wenn es Zwischenspiele gab, als die Restauration in Schwierigkeiten geriet und politische Entscheidungen revidiert werden mussten, strebte die russische Administration prinzipiell immer nach Integration. Russland verlangt eine Position innerhalb des Systems, die seinen Bedingungen entspricht.
  1. Wie in den Fällen Ukraine und Georgien zu sehen ist, handelt Russland mit fester Entschlossenheit, um auf soziale, politische und wirtschaftliche Veränderungsversuche und Provokationen in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu reagieren, wobei die baltischen Länder, die seine eigenen Interessen bedrohen können, außen vor bleiben. Während Russland in die von den USA gewünschte Integration dieser Länder in das imperialistische System eingreift, zeigen Putin und die russische Bourgeoisie den festen Willen, Russlands militärische Teilerfolge sowohl in der Ukraine als auch in Georgien zum Teil auch auf dem Gebiet der Diplomatie zu stärken.
  2. Die militärische Intervention Russlands in Syrien erfolgte unter Ausnutzung des Zustands, den die USA in Syrien nie durchbrechen konnten und zwar des ISIS-Faktors, des Widerstands in Syrien und der Aufrechterhaltung der Herrschaft von Assad. Russland unternahm den Schritt, der seinen internationalen Einfluss durch eine militärische Intervention in einem Land erhöhen würde, das nicht an Russland grenzt, in dem es keine russischstämmigen Volksgruppen gibt und das dennoch ein alter Verbündeter aus der Sowjetzeit ist. Russland, das zum ersten Mal nach der UdSSR-Zeit eine so aktive Rolle in der Region des Nahen Ostens übernahm, vertiefte die internen Konflikte der imperialistischen Welt, indem es die absolute Kontrolle der USA in einem Land verhinderte und Russland die einzige Militärbasis im Nahen Osten besitzt.
  3. Die russische Intervention in Syrien sollte im Rahmen einer zweidimensionalen Analyse bewertet werden. Die Konflikte in Syrien begannen als die letzte Phase der umfassenden Intervention der USA und ihrer Verbündeten in der Region. Diese Intervention kann als eine universelle Verschwörung der wichtigen regionalen Akteure Saudi-Arabien, Türkei und Israel sowie anderer reaktionärer arabischer Regime betrachtet werden. Da die Verschwörerparteien nach bestimmten strategischen Plänen und ihren gegenseitigen Interessen handelten, geriet die Operation in Syrien nicht nur in eine Sackgasse, sondern die verheerende Wirkung der Operation verstärkte sich in vollem Umfang. In dieser Hinsicht verwandelte sich die Operation in Syrien, die als Teil des Versuchs der USA und ihrer Verbündeten betrachtet werden kann mit dem Ziel, einige Länder zu zerstören oder zu spalten, die durch die Merkmale der Sowjetzeit eine relative Autonomie und Handlungsfreiheit erlangt haben – in ein Gebiet des Konflikts und der Rivalität, sobald die Operation begann. Obwohl diese beiden Dynamiken nicht voneinander zu trennen sind, sind sie nicht ein und dieselbe Sache. Jugoslawien war das erste und typischste Beispiel für die Integration einiger Länder in das System und die Befreiung der Kapitalströme mit einem fortgeschritteneren Artikulationsmodell durch die Hand des internationalen Kapitals. Obwohl die Intervention in Jugoslawien eine heftige Rivalität zwischen Deutschland und den USA auslöste und den Aspekt der Belagerung Russlands hatte, das noch an der Schwelle zur kapitalistischen Transformation stand, sollte sie im Wesentlichen als kollektive Eroberungsoperation der internationalen Monopole betrachtet werden.
  4. Die Mobilisierung der reaktionären fundamentalistischen Banden der Region in Syrien hat einen konterrevolutionären Charakter. Die Intensität der ethnischen und konfessionellen Massaker sollte nicht über das Ziel der Operationen hinwegtäuschen, alles fortschrittliche Erbe und die öffentliche Kultur zu beseitigen und alle Errungenschaften der Arbeiterklassen zu vernichten. Die Kommunisten der Region befanden sich unter diesen schwierigen Umständen in einer komplizierten Situation. Eine der Parteien, die de facto während des Krieges entstanden ist, ist eindeutig ein Feind der Kommunisten, nicht nur, weil sie darauf abzielte, Syrien zu spalten und es zu einem Ziel der imperialistischen Ausplünderung zu machen, sondern auch, weil sie darauf abzielte, dem bereits geschwächten progressiven Erbe einen tödlichen Schlag zu versetzen. Obwohl es keinen Zweifel an der Klassenposition des Assad-Regimes gibt, können Kommunisten niemals auf gleicher Distanz zu den kriegführenden Fraktionen in Syrien stehen. Was in Syrien geschah, war eine völlig imperialistische und reaktionäre Intervention, und von den Kommunisten kann niemals eine andere Strategie erwartet werden, als eine Initiative zu ergreifen, um diese Intervention zurückzuschlagen und diesen Prozess in einen Vorteil für die Stärkung der unabhängigen Richtung der Arbeiterklasse zu verwandeln und das System der Ausbeutung zu stürzen. In Anbetracht der bestehenden Kräfteverhältnisse wird die Beendigung dieser Intervention definitiv ein Gewinn für den weltrevolutionären Prozess und die Arbeiterklasse der Region sein. Dies als dauerhafte Position aufrechtzuerhalten, hängt von der revolutionären Positionierung der kommunistischen Bewegung ab.
  5. Bei seiner Intervention im Syrien-Krieg bediente sich Russland der Legitimation, auf eine imperialistische Intervention und die Massaker konterrevolutionärer und islamistischer Banden „zu antworten“. Diese Motive Russlands haben jedoch keine andere Bedeutung als die Wahrung der wirtschaftlichen und politischen Vorteile Moskaus bei seiner Intervention in Syrien. Die ideologischen und klassenbedingten Merkmale von Putins Herrschaft sind in keiner Weise mit dem Schutz des Wohlergehens der Völker Syriens oder einem ethischen Verhalten in der internationalen Politik kompatibel. Daher kann man sagen, dass Russland eine rationale Entscheidung getroffen hat, um seine eigenen Interessen zu schützen und eine neue Position in dem sich verschärfenden Konflikt mit dem von den USA angeführten imperialistischen Block zu erlangen.
  1. Russland zeigt bei seiner Intervention in Syrien eindeutig imperialistische Motive. Putins Herrschaft folgt einer fein abgestimmten Politik, um Syrien sowohl auf militärischem als auch auf diplomatischem Gebiet an Russland zu binden, und setzt Assad in einigen Fragen unter Druck. Besonders auffällig ist, dass einige Verfassungsänderungen bezüglich der Liberalisierung der Wirtschaft des Landes zu diesen Zumutungen gehören. Schließlich nutzt Russland Syrien als Mittel, um eine gewisse Übereinkunft mit den USA zu erzielen. In dieser Hinsicht sollte die Syrien-Politik Russlands nicht nur als Hegemoniekampf zwischen Russland und den USA betrachtet werden, sondern auch als Zeichen dafür, dass Russland sich keiner wirtschaftlichen und politischen Belagerung durch die USA und andere imperialistische Länder, die sich gegen Russland richten, unterwerfen wird. Diese vorsichtige Haltung Russlands ist jedoch den aktuellen Bedingungen angemessen.
  2. Ein weiteres Feld, auf dem Russland seine politischen Ansprüche verwirklichen kann, ist Lateinamerika, eine Geografie, in der Russland sehr nahe an die USA heranrücken konnte und seinen Rivalen beweisen konnte, dass es nach wie vor eine effektive interkontinentale Einflusspolitik betreiben kann. Der Einfluss Russlands in Lateinamerika ist durch die intensiven diplomatischen Bemühungen der letzten zwei Jahre weitgehend konkret geworden. Allerdings ist Russland nicht in der Lage, mit der Volksrepublik China in Lateinamerika in Bezug auf wirtschaftliche Investitionen zu konkurrieren. Obwohl Russland einige Märkte an die Volksrepublik China verloren hat, verkauft Russland in erster Linie Kriegstechnologie an die lateinamerikanischen Länder, vor allem an Venezuela, Peru, Nicaragua, Kuba und Brasilia. Russland ist auch bestrebt, mit den lateinamerikanischen Ländern Abkommen über Militärbasen zu schließen. Es ist aber auch zu erwarten, dass die jüngsten politischen Entwicklungen und die Verschärfung der rechtsgerichteten Ideologie auf dem lateinamerikanischen Kontinent Auswirkungen auf den Einfluss Russlands auf dem Kontinent haben werden. Die Reaktion der lateinamerikanischen Bevölkerung auf diese Verschärfung der rechten Ideologie wird entscheidend sein, trotz aller Bemühungen Russlands und der Volksrepublik China. Sollten die von den USA unterstützten Provokationen und rechtsgerichteten Kräfte auf dem Kontinent weiterhin Erfolge erzielen, würden die USA wieder wichtige Positionen erlangen, obwohl sie nicht in der Lage wären, zu alten Zeiten zurückzukehren.
  3. Die Russische Föderation hat ihre Fähigkeit, sich in die inneren Gleichgewichte der USA einzumischen, bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen bewiesen, indem sie einen der beiden Kandidaten offen unterstützte und bei der Wahl eines von ihnen half. Diese Intervention, die ein Produkt der imperialistischen Rivalität ist, verdient Aufmerksamkeit, da sie den Platz Russlands innerhalb der imperialistischen Hierarchie demonstriert.
  4. Unter den Bedingungen der politischen Krise, in der das internationale kapitalistische System nicht in der Lage ist, ein neues Regierungssystem für das 21. Jahrhundert zu konzipieren, und das alte dysfunktional geworden ist, nutzt Russland die Lücken der Krise, um seine Einflusszone zu erweitern. Allerdings ist Russland nicht in der Lage, eine imperialistische Rolle wie die der USA zu übernehmen. Die Tatsache, dass Russland keine imperialistische Rolle übernimmt und sich auf das prinzipielle, rationale, konsequente und friedliche außenpolitische Erbe der Sowjetunion beruft, schafft die Illusion eines dritten Weges in einer Welt ohne sozialistisches Lager. Die strategischen Schachzüge Russlands verengen in einigen Fällen das Manöverfeld des Imperialismus, was die oben erwähnte Illusion verstärkt und die Popularität von Putins Russland unter der kommunistischen Weltbewegung und der Weltlinken erhöht. Als ein Akteur innerhalb des Systems, der eine unbestreitbare kapitalistische Qualität hat, hat Russland weder die Glaubwürdigkeit, die Arbeiterklasse in irgendeinem Teil der Welt zu vertreten, noch ein Verbündeter von ihr zu sein.
  5. Russland ist aufgrund seiner Konkurrenz zu den USA verpflichtet, sich an die unterdrückten Völker der Welt zu wenden. Russland, das danach strebt, die Stimme der Unterdrückten gegen die Werte zu sein, die von den USA als dem Land an der Spitze der imperialistischen Hierarchie vertreten werden, kann aufgrund seiner Stellung innerhalb des imperialistischen Systems keine ideologische Konsistenz haben. Russland nimmt im Laufe der Zeit taktische Positionen ein. Obwohl Russland keine ideologische Konsistenz in seinem Diskurs grundsätzlich gegen die USA hat, verstärkt ein solcher Diskurs die Verwirrung der Weltlinken und der progressiven öffentlichen Meinung über Russland. Die Kommunisten können sich nicht auf gleicher Distanz positionieren.
  6. Besonders wenn es um Russland geht, sind die progressive öffentliche Meinung und die kommunistische Bewegung in der Welt nicht imstande, die zwischen dem Fehlen einer politischen Richtung und der Festigung des unabhängigen Weges der Arbeiterklasse bestehende Spannung zu lösen. Sie neigen dazu, Russland als Verbündeten der Unterdrückten wahrzunehmen. So wie es unmöglich ist, eine revolutionäre Position einzunehmen, indem man in gleicher Distanz zu den Spannungen des Weltsystems steht, so unmöglich ist es auch, eine revolutionäre Mission zu übernehmen, indem man irgendeinen der politischen Akteure unterstützt. Die Aufgabe der kommunistischen Bewegung ist es, die von Russland und ähnlichen Akteuren verursachten Lücken innerhalb des Systems zum Vorteil der Arbeiterklasse und der sozialistischen Revolution mit einer politischen Perspektive zu nutzen, die auf eine unabhängige sozialistische Richtung ausgerichtet ist.
  7. Ein wichtiger Parameter für die Zukunft des internationalen kapitalistischen Systems und die Stellung Russlands innerhalb dieses Systems ist der Verlauf der Beziehungen Russlands zur Volksrepublik China, die innerhalb des Systems in gewisser Weise wie Russland agiert. Die Bedeutung des Verlaufs dieser Beziehung wird deutlicher, wenn man erkennt, dass die enorme Wirtschaftsleistung der Volksrepublik China die Hauptbedrohung für die instabile Position der USA innerhalb des imperialistischen Systems darstellt.
  8. Der 1978 begonnene Prozess der Dekollektivierung und Markteinführung verwandelte China in ein Land, das die inneren Gleichgewichte der imperialistischen Welt beeinflussen und erschüttern kann. Das chinesische Modell resultiert aus der Umsiedlung von Hunderten Millionen von Bauern in freie Industriezonen entlang der Küsten und Flussufer als billige und irreguläre Arbeitskräfte und der Anziehungskraft des internationalen Kapitals auf die hohen Ausbeutungsraten. Die direkten ausländischen Investitionen, die sich in den 1990er Jahren beschleunigten, trieben auch die rasante kapitalistische Entwicklung der Volksrepublik China an. Das exportorientierte Wachstum der Volksrepublik China und die offensichtliche Verlagerung des Produktionssektors mit niedriger und mittlerer Technologie aus den USA und Europa in die Volksrepublik China ist ein Produkt des Rollenwechsels innerhalb der imperialistisch-kapitalistischen Arbeitsteilung. Obwohl die Rolle des Staates in der Wirtschaft hoch ist, gibt es in China mehr private Sektoren und damit ausländische Investitionen als allgemein angenommen.
  9. Mit einer hohen Wachstumsrate seit 30 Jahren hat die Volksrepublik China im Jahr 2015 die USA beim Bruttosozialprodukt und dem Anteil an der Weltproduktion überholt. Die chinesische Wirtschaft verbraucht 20 Prozent des gesamten Erdöls und 40 Prozent der Minen der Welt. Unter diesen Umständen ist China gefordert, seinen Anteil am Weltmarkt zu sichern und den Rohstofffluss zu kontrollieren und damit seine Position in der imperialistischen Konkurrenz zu stärken.
  10. Drei Viertel der Kapazitäten der verarbeitenden Industrie Chinas sind exportorientiert. Die chinesische Wirtschaft steht vor einem großen Risiko der Abhängigkeit, wenn man bedenkt, dass die Hauptabsatzmärkte der Volksrepublik China in den entwickelten kapitalistischen Ländern wie den USA, Europa und Japan liegen. Der größte Vorteil Chinas ist gleichzeitig sein größter Nachteil. So hat das auf dem Binnenmarkt basierende Wachstumsmodell, das den Versuch suggeriert, die sinkenden Wachstumsraten aufgrund der verlangsamten Nachfrage aus den entwickelten kapitalistischen Ländern zu stabilisieren, eine Reihe von Nachteilen. China hat nach 2008 versucht, die Auswirkungen der sinkenden Auslandsnachfrage mit großen Infrastrukturinvestitionen zu kompensieren, doch die hohen Schulden, die dieser Schritt mit sich brachte, wurden zu einer großen Gefahr für die chinesische Wirtschaft. Wenn die Auslandsnachfrage schwächer wird, hat die Umstellung einer Wirtschaft, deren primäre Aufgabe es ist, mittels Auslandsinvestitionen einen günstigen Konsumgüterstrom in die entwickelten kapitalistischen Länder zu liefern, auf ein Wachstumsmodell, das auf der Inlandsnachfrage basiert und natürlich für steigende Löhne sorgen würde, große Schwierigkeiten.
  11. Alle Schritte, die die Volksrepublik China in den letzten Jahren unternommen hat, gingen zu Lasten der chinesischen Arbeiterklasse und zu Gunsten der erstarkten chinesischen Bourgeoisie. Reformen, die zum Nachteil der Arbeiterklasse sind, wie z. B. die Erhöhung der Arbeitszeit, haben wichtige soziale und politische Folgen. Der Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften aufgrund der hohen Investitionsraten verursacht große Migrationswellen vom Land in die Städte. Der schnelle Proletarisierungsprozess, zusammen mit der Prekarität, verschärft die Klassenunterschiede und die Kommunistische Partei Chinas übernimmt die Verantwortung, die politische und soziale Dynamik dieses Prozesses zu moderieren. Aufgrund des Gewichts der arbeitsintensiven Sektoren in der Wirtschaft und der niedrigen Lohn-/Hochausbeutungsraten sind die Konsumraten der Haushalte im Allgemeinen auf einem niedrigeren Niveau und der Binnenkonsum steigt mit Hilfe der raschen Entwicklung der hohen und mittleren bürgerlichen Schichten.
  12. Die Volksrepublik China strebt nach einer neuen Position für sich selbst innerhalb des kapitalistischen Weltsystems mit ihrer wachsenden wirtschaftlichen Kapazität und ihren sich entwickelnden militärischen und politischen Fähigkeiten. Die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre wie das schnelle Wachstum, der Kapitalexport, die Expansion und die Handelsabkommen haben das Potenzial, Konsequenzen zu erzeugen, die mittelfristig das Gleichgewicht stören werden. Die expansionistische Politik Chinas, sein Kapitalexport, die Vertiefung der Ausbeutungsverhältnisse und die Qualität seiner wirtschaftlichen Beziehungen zu den Entwicklungsländern zeigen das entscheidende Potential Chinas innerhalb des imperialistischen Systems. Allerdings geht China seine Konkurrenz mit den dominierenden imperialistischen Ländern mit pragmatischer Taktik an und vermeidet gezielt offene Konflikte.
  13. Indem die Volksrepublik China die bestehende Hierarchie unter Druck setzt und nach einer neuen Position für sich selbst strebt, verursacht sie Probleme im gegenwärtigen Funktionieren des Systems. Als ein Land, das scheinbar vorsichtige Schritte zur Machtakkumulation unternimmt, hält sich China bei seiner Suche nach einem dominanten Platz in der Welthierarchie und dem Einstieg in die Märkte an die Regeln der bestehenden Hierarchie und demonstriert so bei jeder Gelegenheit, dass es kein systemfeindliches Zentrum ist. Alle Schritte Chinas sollten im Zusammenhang mit dem imperialistischen System betrachtet werden; die politische und militärische Position Chinas gegenüber unterentwickelten Ländern sowie seine Konkurrenz mit den Ländern an der Spitze der imperialistischen Hierarchie sollten in diesem Rahmen analysiert werden. Auch wenn China eine Lücke innerhalb des Systems schafft, indem es dessen Mechanismen ins Wanken bringt, sollte nicht vergessen werden, dass dies aus der internen Krisendynamik des Systems resultiert.
  14. Obwohl China von einer direkten Konfrontation mit den USA absieht, außer in einigen strategischen Fragen wie dem Südchinesischen Meer, hat es in den letzten Jahren aggressive Schritte unternommen, um seinen Einfluss im Nahen Osten, in Lateinamerika und vor allem in Afrika zu stärken. Es ist offensichtlich, dass der Wettbewerb in diesen Regionen, insbesondere in Afrika, scharf geworden ist und noch schärfer werden wird.
  15. Trotz aller Unterschiede erzeugen sowohl Russland als auch die Volksrepublik China mit ihrer bestehenden Führung und kapitalistischen Struktur eine Dynamik von unlösbaren Problemen und Krisen in den bestehenden Gleichgewichten des internationalen kapitalistischen Systems. Die Zukunft der beiden Länder innerhalb des Systems kann nicht verstanden werden, ohne dass die Zukunft des internationalen kapitalistischen Systems als Ganzes analysiert wird. In einer Welt, in der das sozialistische Lager aus der Gleichung herausfiel, bestimmte die unipolare Aggressivität der USA die ersten Jahre in den 2000ern und geriet danach doch in eine Krise. Dieses unipolare System, geprägt von neoliberaler Politik und Angriffskriegen, das in der Bush-Zeit sein Endstadium erreichte, kann als Weltsystem nicht aufrechterhalten werden. Es ist in der Krise von 2008 zu Ende gegangen, und eine neue und stabile Struktur konnte sich aufgrund der sich vertiefenden politischen und ideologischen Krise des Imperialismus nicht bilden. Der Platz, den Russland und die Volksrepublik China in der internationalen Arena eingenommen haben, wird durch die Objektivität der Krise und der Sackgasse aufrechterhalten und stellt folglich keine dauerhafte und stabile Position dar.
  16. Es gibt keinen objektiven Grund für eine Vorwegnahme eines antiimperialistischen Lagers Russlands und Chinas unter den heutigen Umständen, indem man auf die frühere politische Polarisierung schaut, als der Imperialismus mit dem Sozialismus koexistierte. Die Koexistenz von Sozialismus und Kapitalismus als zwei Lager ergab sich aus dem unüberbrückbaren Widerspruch der beiden Systeme. Dieser Widerspruch wurde mit der Zerschlagung eines der beiden Systeme aufgelöst. Im Fall von Russland und der Volksrepublik China gibt es keinen solchen unversöhnlichen Widerspruch. Das bedeutet jedoch nicht, dass Russland und China mit dem bestehenden imperialistischen Status quo zufrieden wären. Das imperialistische System enthält von Natur aus in sich selbst Rivalitäten und Widersprüche des Systems. Die von Russland und der Volksrepublik China verursachten Probleme resultieren aus Rivalitäten innerhalb des Systems und ihren Herausforderungen gegen die Hierarchie des Systems. Es sollte nicht vergessen werden, dass in einem Weltsystem, das keine gegensätzlichen Klassenpositionen enthält, es immer zu Veränderungen in den Bündnissystemen kommen kann und sich immer andere Zusammensetzungen als die bestehenden bilden können.
  17. Heute, da das Kräftegleichgewicht in der Welt neu strukturiert wird, entwickelt sich dieser Prozess in einem Rahmen, der durch die innere Dynamik des Systems bestimmt wird, was sich von den früheren Perioden unterscheidet, in denen der Sozialismus als Pol ein Gewicht hatte. Es ist der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt nicht möglich, wirksam auf diesen Prozess einzuwirken. Keiner der Akteure in diesem Prozess repräsentiert die Arbeiterklasse. Unter diesen Umständen ist die Ungewissheit über die Zukunft des imperialistischen Systems eine Folge der inneren Dynamik des Systems und der Präferenzen der Bourgeoisie. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese Ungewissheit von selbst auf Dauer gegen die Gunst der Bourgeoisie vertieft. Die Fähigkeit, die Chancen zu nutzen, die durch diese Unsicherheit aufgrund der tiefen Krise des imperialistischen Systems entstehen, liegt in den Händen der kommunistischen Weltbewegung. Die Arbeiterklasse ist die einzige Kraft, die eine Alternative zum imperialistischen System schaffen kann.

Quelle: https://www.tkp.org.tr/uncategorized-tr/theses-imperialism-axis-russia-and-china-2017